Ob die ARD künftig Profiboxen zeigt, ist unklar: Der Vertrag mit dem Berliner Boxstall läuft aus und die Entscheidung über eine Verlängerung wurde noch nicht getroffen.

Hamburg. Die Diskussion über die Zukunft des Berliner Sauerland-Teams zieht die Boxfans in Deutschland seit Monaten in ihren Bann. Wird der nationale Platzhirsch, das letzte verbliebene deutsche Profibox-Unternehmen mit Weltruf, auch nach 2014 noch ein Vollprogramm anbieten können, mit acht bis zehn Kampfabenden pro Jahr in Deutschland? Voraussetzung dafür wäre eine stabile Partnerschaft mit einem solventen Fernsehsender. Seit 2002 kooperiert Sauerland mit der ARD; die vertraglich fixierte Zusammenarbeit, letztmals 2011 verlängert, läuft zum Jahresende aus. Ob und wie es weitergeht? Unklar.

Einig sind sich beide Parteien darin, im Sommer eine Entscheidung finden zu müssen. „Wir brauchen eine gewisse Planungssicherheit. Wenn wir erst im Oktober wüssten, wie es weitergeht, wäre das schlecht. Aber darüber sind wir uns mit der ARD einig“, sagt Frederick Ness, der seit zweieinhalb Jahren mit Chris Meyer die Geschäfte bei Sauerland führt. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky bestätigt diese Zeitschiene. „Spätestens im Sommer werden wir wissen, wie es weitergeht.“

Das Prozedere, um zu einer Entscheidung über die weitere Zusammenarbeit zu kommen, ist indes nicht ganz einfach. „Wir sind ständig in Gesprächen über unser Produkt, die ARD hat ja ein Mitspracherecht bei Hauptkämpfen, Gegnern und Austragungsorten“, sagt Ness, der von 1995 bis 2011 für Ufa Sports und deren Nachfolgerin Sportfive mit Sportrechten handelte.

Wäre die Sportredaktion der ARD allein entscheidungsbefugt, Sauerland müsste sich keine Zukunftssorgen machen. „Boxen im Ersten hat eine lange Tradition, beginnend mit dem Kampf Muhammad Ali gegen Joe Frazier im März 1971. Wir haben in der Vergangenheit stets erfolgreich übertragen. Und da ich glaube, dass wir das auch in Zukunft hinbekommen würden, bin ich dafür, die Sportart Boxen weiter im Programm des Ersten abzubilden“, sagt Balkausky. So einfach ist es allerdings nicht. Zunächst wird es „zu gegebener Zeit“ eine interne Befassung geben, in der die Sportchefs der neun in der ARD zusammengeschlossenen Sender entscheiden, ob und in welcher Form sie mit Boxen weitermachen wollen.

Diese Empfehlung wird dann von den Fernsehdirektorinnen und -direktoren der Landesrundfunkanstalten beraten, bevor die neun Intendanten der Anstalten gemeinsam mit dem Programmdirektor der ARD entscheiden. Wenn die geplanten Ausgaben einen gewissen Rahmen überschreiten – für die Boxrechte zahlt die ARD augenblicklich geschätzte zehn Millionen Euro pro Jahr –, müssen zudem die Verwaltungsräte einzelner Landesrundfunkanstalten zustimmen. Die genaue Kostengrenze, ab der die Ausgaben für Sportübertragungen zustimmungspflichtig sind, ist nicht öffentlich bekannt.

Dass das Boxen dadurch, dass man sich exklusiv an den Sauerland-Stall gebunden hat, eine Sonderstellung im Vergleich zu anderen Sportarten einnimmt, spürt Balkausky an den Widerständen, die dem Sport aus den Gremien entgegengebracht werden. Insbesondere Ruth Hieronymi, Vorsitzende des Rundfunkrats im mächtigen Westdeutschen Rundfunk (WDR), hat sich in der Vergangenheit mehrfach öffentlich gegen das Boxen ausgesprochen. „Der Vorbehalt bei einigen Entscheidern ist, dass das Boxen es als Ziel hat, den Gegner körperlich niederzustrecken. Zudem halten einige das Profiboxen für unsportlicher als das olympische Boxen“, sagt Balkausky, obwohl sich das Reglement zunehmend annähere. In den Gremien macht er eine „teilweise kritische bis ablehnende Haltung gegenüber Profiboxen“ aus.

Er selbst sieht sich in dieser Diskussion auch als Vermittler und betont: „Meine Aufgabe ist es als Interessenvertreter des Sports, für ein attraktives und erfolgreiches Programm zu werben, und weil das Boxen dazugehört, mache ich mich dafür stark.“ Die Argumente, die aus ARD-Sicht für eine Verlängerung sprechen, liegen für Balkausky angesichts von Durchschnitts-Marktanteilen von rund 20 Prozent auf der Hand. „Wir erreichen mit Boxsportübertragungen sehr viele Zuschauer. Vor allem Jüngere und darüber hinaus Menschen in den neuen Bundesländern, wo wir mit dem Ersten sonst nicht gleichermaßen erfolgreich sind. Außerdem haben wir in den vergangenen Jahren sehr hohe Qualität in den Livekämpfen angeboten“, sagt er. Frederick Ness sieht das ähnlich. „Wir bieten ein gutes, verlässliches Produkt auf hohem Niveau“, sagt der 45-Jährige. Dass der Berliner Stall, der mit Marco Huck, Jürgen Brähmer, Arthur Abraham und Yoan Pablo Hernandez derzeit vier Weltmeister unter Vertrag hat, allen Anforderungen der ARD an sauberen und fairen Sport nachkommt – wie zum Beispiel mit der lückenlosen Umsetzung des Antidopingprogramms –, rechnet Balkausky dem Partner hoch an.

Ness hat Verständnis für die Pluralität in den ARD-Gremien, auch wenn er die vorgebrachten Argumente gegen das Boxen nicht teilt. „Wir wünschen uns eine sachliche Auseinandersetzung mit unserem Sport, vor allem aber wünschen wir uns eine Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit“, sagt er. Natürlich müsse man sich über Alternativen Gedanken machen. Als Boxsender sind in Deutschland noch Sat.1 (Felix Sturm und Robert Stieglitz) und RTL (Wladimir Klitschko) fest im Faustkampfgeschäft tätig, zudem zeigen Eurosport, Sport1 und Sky ausgewählte Veranstaltungen. „Aber die ARD bleibt unser Wunschpartner“, sagt Ness.

Ein Beibehalten des Status quo erscheint derzeit also ebenso möglich wie eine Konzentration auf weniger Kampfabende mit ausgewählten Kämpfern oder auch ein kompletter Ausstieg der ARD. „Ich kann der Entscheidung nicht vorgreifen“, sagt Balkausky, „aber der Anspruch der ARD ist eine möglichst umfassende Berichterstattung über das breite Spektrum des Sports in Deutschland. Und da gehört das Profiboxen dazu.“

Bleibt nur abzuwarten, ob die Intendanten der ARD das auch so sehen.