Sie stand Pate für die TV-Serie „Kir Royal – Aus dem Leben eines Klatschreporters“. Die „Abendzeitung“ in München ist bestens vernetzt mit Schickeria und „Bussi-Business“. Doch jetzt droht ihr das Aus.

München. Die traditionsreiche Münchner „Abendzeitung“ kämpft ums Überleben. Am Mittwoch stellte das Blatt beim Amtsgericht München Insolvenzantrag, wie der Verlag in München mitteilte. Die Familie Friedmann als Eigentümerin sehe sich nicht mehr in der Lage, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. „Die Gesellschafter und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Abendzeitung“ hoffen, dass im Insolvenzverfahren ein Investor gefunden werden kann, damit der traditionsreiche Titel weiter erscheinen kann“, hieß es weiter. 110 Mitarbeiter sind betroffen, davon rund 50 in der Redaktion. Die AZ hatte in den 80er Jahren Pate gestanden für die erfolgreiche TV-Serie „Kir Royal – Aus dem Leben eines Klatschreporters“.

Nach Angaben der Geschäftsführung summierten sich die Verluste seit 2001 auf rund 70 Millionen Euro. Das Jahr 2013 endete mit einem Minus von etwa zehn Millionen Euro. Nach zwei weiteren rückläufigen Monaten 2014 sei keine Besserung in Sicht. Das weitere Erscheinen des Blattes sei aber zunächst gesichert. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Axel W. Bierbach von der Münchner Kanzlei Müller-Heydenreich Bierbach bestellt.

„Wir sind traurig und geschockt. Aber wir geben nicht auf“, kündigte die Redaktion auf der AZ-Onlineseite in eigener Sache an, auch im Namen von Anzeigenabteilung, Vertrieb und allen andere Teilen des Verlages. Unter der Überschrift „Wir machen weiter – für Sie“ zeigte ein Bild die versammelte Redaktion am Mittwoch im AZ-Newsroom am Münchner Rundfunkplatz.

Die finanziellen Schwierigkeiten der Boulevardzeitung mit einer verkauften Auflage von rund 100 000 Exemplaren waren waren seit längerem bekannt. In München buhlen gleich mehrere Boulevardzeitungen um die Gunst der Leser: neben der AZ auch die „tz“, die zur Ippen-Gruppe gehört, und die „Bild“-Zeitung mit eigenem Regionalteil. Zum Verlag Die Abendzeitung gehörte früher auch die „Abendzeitung Nürnberg“, die 2010 vom Telefonbuch-Verleger Gunther Oschmann gekauft wurde und 2012 nach 93 Jahren eingestellt wurde.

Die Zeitungslandschaft in Deutschland hatte zuletzt einige Hiobsbotschaften mit Schließungen, Arbeitsplatzabbau oder Umstrukturierungen zu verkraften. 2012 meldete Anfang November die traditionsreiche „Frankfurter Rundschau“ („FR“) Insolvenz an. Wenig später erschien die angesehene, aber chronisch defizitäre „Financial Times Deutschland“ („FTD“) letztmals. Die „FR“ wurde schließlich von der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ GmbH („FAZ“) und der Frankfurter Societät GmbH übernommen.

Zum Insolvenzantrag der AZ beim Münchner Amtsgericht erklärte der Verlag: „Die Geschäftsführung bedauert diesen Schritt – auch deswegen, weil sich zum Beispiel bei der notwendigen Verzahnung von Print und Online durchaus Erfolge verzeichnen ließen, die sich auch an massiv gestiegenen User-Zahlen ablesen ließen.“ Einen starken Partner zu finden sei bisher nicht möglich – „nicht zuletzt wegen der nach wie vor restriktiven kartellrechtlichen Situation“.

In den vergangenen Jahren sei bereits das „Tafelsilber“ des Verlags verkauft worden, teilte die „Abendzeitung“ mit: darunter das Gebäude in der Sendlinger Straße in München, die „AZ Nürnberg“, das Anzeigenblatt „Frankenreport“, die Rundfunkbeteiligungen am Funkhaus Nürnberg und Radio Gong.

Der vorläufige Insolvenzverwalter teilte nach einer Mitarbeiterversammlung mit: „Der Verlag hat rechtzeitig den Insolvenzantrag gestellt und damit gute Voraussetzungen für eine Fortführung geschaffen. (...) Es besteht kein Zweifel, dass die „Abendzeitung“ eine starke Marke und eine feste Größe im deutschen Boulevardjournalismus ist. Wichtig ist nun, dass Leser und Anzeigenkunden ihrem Blatt in dieser Phase die Treue halten.“ Das Insolvenzgeld sichere bis Mai die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter.

Die AZ erschien im Jahr 1948 mit US-amerikanischer Lizenz das erste Mal. Gründer und erster Chefredakteur der Straßenverkaufszeitung war der 1969 gestorbene Verleger und Journalist Werner Friedmann. Aktueller Chefredakteur ist Arno Makowsky.

Als bundesweite Institution gilt die AZ spätestens seit den 80er Jahren, als sie für die TV-Serie „Kir Royal“ Pate stand. Diese drehte sich um die Schickeria und das Bussi-Business der fiktiven „Münchner Allgemeinen Tageszeitung“ (MATZ). Die erste Folge mit Franz Xaver Kroetz als Klatschkolumnist Baby Schimmerlos, als dessen Vorbild der Journalist Michael Graeter gilt, flimmerte am 22. September 1986 über den Bildschirm.