Stefan Sichermann leitet Deutschlands schrägstes Webmagazin. „Der Postillon“ pfeift auf Tabus und pflegt den Wortwitz – erfolgreich.
Hamburg/Frankfurt am Main. Er dichtet Schlagzeilen wie „Hammerhigh: Fünf Kilo Kokain in Bauch von Meeresräuber gefunden“ oder „Nicht im Bilde: Dummer Maler vergisst wichtigsten Teil von Selbstportrait“. Sprachwitz und Respektlosigkeit sind seine Markenzeichen. Der Satiriker Stefan Sichermann hat mit dem Internet-Magazin „Der Postillion“ für große Aufmerksamkeit gesorgt, einen Lead Award gewonnen (in Bronze) und etliche Lacher provoziert. „Ich sehe nicht wirklich Tabus. Ich schließe erst einmal überhaupt keinen Witz und kein Thema aus“, sagte Sichermann, 33, dem „medium magazin“. Es hänge immer davon ab, wie man ein Thema aufschreibe.
Der „Postillon“ brachte ihm den Titel „Journalist des Jahres 2013 in der Kategorie Kultur/Unterhaltung“. Seine Seite soll täglich Zehntausende Leser haben. Selbst das Thema Tod scheut Sichermann nicht: „Viele sagen, man mache keine Witze, wenn Menschen gestorben sind. Das sehe ich anders. Man muss sich ja nicht über die Menschen lustig machen, sondern über die Umstände, wie sie gestorben sind.“ Ebenso sei es mit Behinderungen. Er werde vermutlich auch einen Artikel zu den kommenden Paralympics schreiben, die im März nach den Olympischen Winterspielen im russischen Sotschi stattfinden. „Ich finde Leute furchtbar, die dann sagen: ,Boah, das ist pietätlos’.“
Sichermann sagte, besonders häufig beschwerten sich Katholiken oder Protestanten über Artikel. „Erstaunlich oft machen mir Christen Vorwürfe, ich schreibe nicht genug gegen Muslime. Obwohl ich das auch mache. Komischerweise kam noch nie eine Beschwerde eines Muslims.“ Auch den gerade entlassenen russischen Regimekritiker Michail Chodorkowski schont er nicht. So lautete eine Schlagzeile in diesen Tagen: „Edward Snowden nicht reich und kriminell genug, um in Deutschland Asyl zu bekommen.“