Eine Woche vor dem Showdown zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück ploppt das Thema Nichtwähler auf. Ein Fall für Günther Jauch.
Hamburg/Berlin. Man spürt es schon: das TV-Duell. Es rückt näher, täglich, stündlich, minütlich. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Peer Steinbrück am kommenden Sonntag (1. September) drei Wochen vor der Bundestagswahl Florett und Hammer kreuzen, wird das eine politische Schlacht wie keine. Das zumindest suggerieren die, die es veranstalten.
Die Fernsehsender haben arge Mühe, Pep in den Bundestagswahlkampf hineinzubringen. Da wird das TV-Duell schon eine Woche zuvor zu einem Ereignis, einem Event hochgejazzt, als gäbe es mindestens eine Weltsensation zu bewerben.
Aber angekündigte Sensationen fallen aus. So hatte sich auch Günther Jauch nach seiner Sommerpause schwer getan, das Vorglühen auf das Duell und die Wahl selbst zu inszenieren. An die Unzufriedenen wollte er in seiner Talksendung am Sonntagabend ran, die Nichtwähler. Da legte sich nach dem ordentlichen Polizeiruf aus Rostock der ganze Mehltau einer dahinvegetierenden Merkel-Demokratie über den Fernsehschirm.
Tatü-tata und Brumm-brumm lockten deutlich mehr Zuschauer vor den Bildschirm. Der Polizeiruf 110 aus Rostock war Tagessieger mit 7,45 Millionen Zuschauern, das Formel-1-Rennen sahen 5,75 Millionen, bei Jauch (Platz fünf des Tages) hatten immerhin 5,02 Millionen eingeschaltet. Der Marktanteil von 18,7 Prozent ist nicht gerade rekordverdächtig.
Ausgerechnet Alt-Sozi Egon Bahr brachte es auf den Punkt. Da versuche jemand, uns alle einzulullen. Er meinte die Kanzlerin – und richtig widersprechen konnte niemand. Da hatte Jauch es schwer, dagegen anzuargumentieren. Auch wenn Bahr die eine oder andere altersbedingte Schwäche zeigte – er ist 91 Jahre alt –, reichte es für den amtierenden Verteidigungsminister Thomas de Maiziere. Der wegen Drohnen- und sonstiger Affären unter Druck stehende Polit-Bürokrat konnte sich kaum dafür rechtfertigen, dass er auf Platz eins seiner Landesliste steht.
Denn wer sich als Abgeordneter bewirbt, so die Kritik der Nichtwähler, der muss auch bei den Wahlen mal durchfallen können. Doch diese Durchfaller kommen auch in den Bundestag, weil die Listen ihnen Spitzenplätze garantieren. So steige der Verdruss der Wähler und des Publikums, weil immer dieselben an den Schnittstellen der Macht sitzen. Regelmäßige Jauch-Gucker kennen dieses Phänomen.
Doch der smarte Moderator hat mit dem Thema Nichtwähler auch Gäste eingefangen, die eine gewisse Straßenglaubwürdigkeit hatten. Ausgerechnet der Sohn von Altkanzler Helmut Kohl, Walter Kohl, will kein Kreuz mehr machen. Auch er kritisierte den CDU-Kurs. Irgendwie seien alle Parteien sozialdemokratisch, und Merkel verschweige die wahren Kosten der Griechenland-Hilfen. Das beunruhige viele Menschen, so Walter Kohl.
Gänzlich abstimmungsfeindlich zeigte sich die Journalistin Andrea Hanna Hünniger, die nach eigenen Angaben noch nie gewählt hat. Einen Kollegen im Geiste fand sie in Gabor Steingart – früher „Spiegel“, jetzt „Handelsblatt“ – und dessen Politikverdrossenheit. Nicht dass er verdrossen wäre, darüber zu schreiben, aber er persönlich? Nein, wählen ist nicht sein Ding, obwohl: Junge Leute sollten es doch mal probieren, diese Alterserfahrung komme erst mit der Zeit, dass man nichts ausrichten könne.
Das steht leider dem Erfahrungswissen entgegen. So kommen die Nichtwähler vor allem aus den jüngeren Bevölkerungsschichten. 2009 waren sie sogar die größte Gruppe unter allen Wahlberechtigten. Ältere gehen häufiger zur Wahl, formal besser Gebildete ebenso.
Und Jauch? Hat sein Studium geschmissen, zählt aber vor allem im Auge der TV-relevanten Zielgruppe schon zu den Oldies. Geht eigentlich Deutschlands beliebtester Moderator wählen? Und wen? Die letzten Fragen werden offen bleiben. Für Jauch auch. Er darf zwar am kommenden Sonntag das Vor- und Nachduell moderieren. Aber wenn Merkel unmittelbar auf Steinbrück trifft, hat er Sendepause. Anne Will, Stefan Raab, Maybrit Illner und Peter Klöppel stellen die Fragen.