Vordergründig geht es um zwölf Musikvideos, die die Gema von Youtube verbannen will. Urteil ist richtungsweisend für das Urheberrecht im Netz.
Hamburg/Berlin. Vor 50 Jahren besang Conny Froboess "Zwei kleine Italiener". Jetzt könnte das Liedchen nicht nur Schlager-, sondern auch Rechtsgeschichte schreiben. Das Landgericht Hamburg entscheidet am Freitag über eine Klage der deutschen Musik-Verwertungsgesellschaft Gema gegen den Google-Dienst YouTube. Vordergründig wird entschieden, ob die Videoplattform genug tut, um auf Verlangen der Gema zwölf urheberrechtlich geschützte Titel zu sperren und auch künftig nicht mehr in Videoclips zugänglich zu machen. Darunter befindet sich auch der Hit von 1962.
Darüber hinaus geht es in dem Verfahren, bei dem es nach dem Urteil des Landgerichts vermutlich in die nächste Instanz gehen wird, aber auch um die grundsätzliche Frage, wie der Umgang mit Musik und Filmen im Internet geregelt sein soll.
Google und die Gema streiten sich um die Lizenzrechte im Netz. "Beim Streaming von Musikvideos sind aus unserer Sicht die gleichen Nutzungsrechte betroffen wie beim Audio-Streaming", sagte Gema-Jurist Alexander Wolf. Diese seien das Vervielfältigungsrecht – also die Erstellung der Kopie eines urheberrechtlich geschützten Werkes – und das Recht, ein Werk öffentlich zugänglich zu machen. Hier sieht Wolf YouTube in der Verantwortung für die von den Nutzern auf die Video-Plattform hochgeladenen Filme: "Wir betrachten YouTube nicht als Service-Provider, sondern in großen Teilen als Content-Provider, der sich Inhalte zu eigen macht und mit Werbung verknüpft.“
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Dem widerspricht Google. "YouTube ist eine Hosting-Plattform", sagt Google-Sprecherin Mounira Latrache. "Als Hosting-Plattform nehmen wir keinen Einfluss darauf, welche Inhalte Nutzer hochladen." Pro Minute würden mehr als 60 Stunden Videomaterial hochgeladen, es sei praktisch unmöglich, das vorab zu überprüfen.
Als Streaming wird die Direktübertragung von Musik oder Filmen über das Internet bezeichnet – ohne dass wie beim Download ein Speichern der Dateien angeboten wird. Für das Musik-Streaming hat die Gema inzwischen eine Vereinbarung mit dem Branchenverband Bitkom getroffen – auf dieser Grundlage überweisen derzeit zwei Internet-Musikdienste, Simfy und Deezer, Geld an die Gema. Mit weiteren Anbietern, darunter auch Spotify , sind die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen. Dieser Vertrag erstreckt sich auf Dienste, die gegen Zahlung eines festen Entgelts – zurzeit meist etwa zehn Euro im Monat – genutzt werden können.
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Bei werbefinanzierten Musik-Streaming-Diensten bietet die Gema ihren Tarif VR-OD 9 an, der die Abführung von 10,25 Prozent der Werbeeinnahmen vorsieht. Bei Diensten mit "hoher Interaktivität", zu denen YouTube zählen dürfte, werden ohne Rabatt 0,6 Cent pro abgerufenem Stream fällig. Diese Tarife sind seit Dezember 2011 festgeschrieben. Die Gema würde auf dieser Basis gerne mit YouTube abrechnen. Das Unternehmen sieht sich aber als eine neutrale Plattform, die ihren Nutzern nur die technischen Möglichkeiten bereitstellt, damit diese Videos hochladen können – die rechtliche Verantwortung dafür liegt aus Sicht von Google allein bei den Nutzern.
Zum Hamburger Prozess kam es, weil sich die Gema und YouTube nicht über Zahlungen für Musikclips einigen konnten. Ein vorläufiger Vertrag zwischen beiden Seiten war 2009 abgelaufen. Ende 2010 reichte die Gema schließlich eine Klage ein, um YouTube zum Löschen oder Sperren bestimmter Videos zu zwingen.
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Umstritten ist die Höhe der von der Gema verlangten Abgaben. Der Chef von Sony Music , Edgar Berger, warf der Verwertungsgesellschaft kürzlich vor, "die Urheberrechte sehr restriktiv" zu lizensieren; seinem Unternehmen gingen dadurch Millionenbeträge verloren. Dagegen wetterte der Künstler Sven Regener gegen YouTube-Mutter Google. Er sehe nicht ein, dass mit Werbung Geschäfte gemacht würden, während die Lieferanten der Inhalte dabei leer ausgehen sollten.
Eine grundlegende Neufassung des Urheberrechts, das die Bedingungen der Internet-Ära berücksichtigen würde, ist zurzeit nicht geplant. "Da gibt es kaum den großen Wurf, der alle Probleme auf einmal lösen könnte", erklärte Justizministerin Sabine Leutheusser-Scharrenberger (FDP). Die Verwerterindustrie habe die Verpflichtung, "neue Geschäftsmodelle für das Netz zu entwickeln, die von den Verbrauchern angenommen werden."
So loten alle Akteure weiter die Grenzen der bestehenden Möglichkeiten aus. Dass die kostenlose Veröffentlichung auf YouTube auch im Interesse der Musikindustrie sein kann, zeigen gerade die "Ärzte": Sie haben ihr neues Album "auch" vollständig auf YouTube veröffentlicht.