Hamburg. Antilopen-Gang-Mitglied und Solo-Barde über sein Stadtpark-Konzert am 9. Juli, Kunstfreiheit und die Gefahren von Hamburg bei Nacht.

Seit dem zweiten Album „Anarchie und Alltag“ 2017 gehört der Aachener Rapper Daniel Pongratz alias Danger Dan mit dem Trio Antilopen Gang zu den erfolgreichsten deutschen Hip-Hop-Bands. Für Aufsehen sorgt seit zwei Jahren auch Danger Dans Soloalbum „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“: Stilistisch erinnert seine Klaviermusik an Bertolt Brecht und Kurt Weill, und der Titelsong rauschte wegen Textzeilen wie „Angenommen, ich schriebe mal ein Lied, in dessen Inhalt ich besänge, dass ich höchstpersönlich fände, Jürgen Elsässer sei Antisemit“ durch die papiernen und digitalen Blätterwälder. In der Hansestadt wird das am 9. Juli im Stadtpark zu erleben sein, dem größten Konzert seiner Solo-Karriere, wie Danger Dan im Interview erzählt.

Hamburger Abendblatt: Gerade waren Sie in der Markthalle, jetzt kommt der Stadtpark, anschließend geht es im Oktober zwei Mal in die Friedrich-Ebert-Halle und im Januar in die Laeiszhalle. Im August sind Sie auch noch zwei Mal mit der Antilopen Gang im Uebel & Gefährlich. Sie haben offensichtlich gefallen an Hamburg gefunden?

Danger Dan: Ich habe wirklich darüber nachgedacht, nach Hamburg zu ziehen. Ich lebe jetzt seit zehn Jahren in Berlin, aber pendle gedanklich auch noch zwischen Hamburg und Leipzig. Allerdings bin ich immer, wenn ich in Hamburg bin, und das bin ich oft, anschließend so zerstört und verkatert, dass ich Angst habe, dass dann mein ganzes Leben so wäre.

Das klingt jetzt eher wie eine Beschreibung von Berlin.

Danger Dan: Vielleicht wäre es umgekehrt, wenn ich in Hamburg leben würde. Aber als ich in der Markthalle gespielt habe, wollte ich danach nur noch auf eine Currywurst in die Kleine Pause in der Wohlwillstraße. Ich kam dann zur mir um sechs Uhr morgens auf dem Hamburger Berg (lacht).

Danger Dan: Hip-Hop gehört zur Pop-Kultur

Aber man muss sich ja auch mal was gönnen, schließlich beweisen Sie seit vielen Jahren enorme Musikalität und Vielseitigkeit. Trotzdem war der Spagat zwischen Hip-Hop mit der Antilopen Gang und Kunstlied des „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“-Albums für manche sicher überraschend. Anders gefragt: Spielen Sie lieber vor Fans auf Sitzplätzen oder auf Stehplätzen?

Danger Dan: Das kommt ganz darauf an, was ich gerade mache. Jetzt bin ich mit Klavier und Streichquartett unterwegs, da ist die Disziplin eine ganz andere, und da bin ich in der Regel froh, wenn die Leute sitzen und in Ruhe zuhören. Das muss aber auch nicht immer so sein. Das Konzert im Stadtpark wird unbestuhlt sein und in einer warmen Sommernacht stelle ich mir das super vor. Bei der Antilopen Gang machen Stühle allerdings überhaupt keinen Sinn, obwohl wir das im letzten Sommer notgedrungen auch gemacht haben.

Hip-Hop ist nach wie vor die dominierende Gangart in der deutschen Popmusik. Allerdings gibt es außerhalb des Undergrounds wenige mit dezidierten politischen Inhalten wie Antilopen Gang, K.I.Z., Anoki, oder Audio 88, dabei hat seinerzeit mit Advanced Chemistry alles vielversprechend angefangen. Woran liegt das?

Danger Dan: Ich glaube nicht, dass politische Inhalte noch die Ausnahme sind. Hip-Hop ist keine Subkultur mehr, sondern Pop-Kultur. Und in der findet man alle Inhalte, die man auch in der Gesellschaft findet. Es gibt sogar Neo-Nazis die rappen, Rapper mit FDP-Parteibuch und Rapper mit Muskelprogramm zur Selbstoptimierung. Natürlich sind progressivere Themen nie dominant, sonst würden wir in einer anderen Welt leben.

Bei Danger Dan trifft Hip-Hop auf Klassik

Dass die meisten kritischen Rapper einen bürgerlichen Hintergrund haben, ist aber ein Klischee, oder?

Danger Dan: Ja, Wobei ich nicht jedem, der im Takt Reime sprechen kann, dezidiert progressive Ansichten abverlangen würde. Ich glaube, gute Inhalte und ausführliche Antworten findet man doch eher in Büchern.

Was wäre oder ist für Sie nicht von der Kunstfreiheit gedeckt?

Danger Dan: Im Grunde genommen darf Kunst erst mal alles. Und muss überhaupt nichts. Das ist das Schöne an der Kunst, dass sie sich jeglicher Bewertungslogik eigentlich entziehen darf. Und neben dem persönlichen Bereich gibt es natürlich auch den juristischen Bereich mit Grauzonen zum Überschreiten. Ich will aber am Ende nicht derjenige sein, der entscheidet und eine Grenze zieht, was Kunst ist und was nicht. Kurz gesagt: Kunst darf alles – und dann geht das Diskutieren los (lacht).

Den entsprechenden Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ haben sie in Jan Böhmermanns Sendung „ZDF Magazin Royale“ zusammen mit dem Star-Pianisten Igor Levit gespielt – welche weiteren Künstlerinnen und Künstler aus der Klassik hätten Sie gern mal als – wie man es im Hip-Hop nennt - Feature?

Danger Dan: Ich kenne mich mit klassischer Musik tatsächlich überhaupt nicht aus. Igor erinnert mich übrigens eher an die Hamburger Punkband Slime: Der wollte einfach nur ein Bier. Alles andere, wo mein Klavier steht und wo seins, war ihm völlig egal. Hauptsache er hatte sein Bier. Ich habe aber angefangen, mit weiteren Klassik-Menschen zu arbeiten, zum Beispiel mit dem Hamburger Komponisten und Violinisten Jonathan Heck, der mein Programm arrangiert hat.

Dadurch habe ich eine Menge gelernt und auch weitere Vorurteile abgebaut. Jonathan ruft mich ständig um vier Uhr morgens an und fragt, ob ich noch rauskomme und mit um die Häuser ziehe. So viel zu Klassik-Klischees. Ich glaube, dass viele wie Mozart oder Bach, die jetzt zur Hochkultur zählen, die Punker ihrer Zeit waren.

Einer ihrer Songs heißt „Beginne jeden Tag mit einem Lächeln“: Wie leicht fällt Ihnen das? Sie haben mal Peter Hein von Fehlfarben zitiert: „Ich bin nicht verbittert, ich finde einfach nur alles scheiße“.

Danger Dan: Bei dem Lied bin ich mal wieder im Internet auf kursiv geschriebene Binsenweisheiten und Sprüche gestoßen, bebildert mit Sonnenuntergängen. Ich finde es furchtbar, Menschen mit solchem Stuss eine Verantwortung aufzudrücken. Beginne deinen Tag mit einem Lächeln, und der Tag lächelt zurück, wenn du gerade im Flüchtlingscamp in Moria aufwachst und dein Zelt unterspült wird?

Gibt es trotzdem etwas, was Sie beim Gedanken daran sofort zum Lächeln bringt?

Danger Dan: Ich habe derzeit einen Riesenspaß, endlich wieder live zu spielen. Die Zeit ohne Konzerte oder nur mit Corona-Auflagen war anstrengend für mich. Der Auftritt im Stadtpark ist mein bislang größter, der Höhepunkt meiner musikalischen Laufbahn. Das zaubert mir wirklich ein Lächeln auf die Lippen.

Weil es so unverhofft gekommen ist?

Danger Dan: Ja, ich dachte wirklich, meine Klaviermusik interessiert niemanden, und habe nur 500 Platten pressen lassen. Bezeichnend ist jedenfalls, dass meine größte Show in Hamburg stattfindet. Ich habe mir die Stadtparkbühne übrigens bislang noch nicht angeschaut, immer wenn ich das vorhatte, bin ich auf dem Hamburger Berg gelandet.

Danger Dan Sa 9.7., 19.00, Stadtparkbühne (S Alte Wöhr), Saarlandstraße 71, Karten zu 45,50 im Vorverkauf; www.kj.de