Hamburg. Der berühmte Street-Art-Künstler wird im ehemaligen Galeria Kaufhof als Blockbuster-Show inszeniert. Ob ihm das gefallen würde?

2002 war Banksy in Hamburg, er besuchte das Urban Discipline Festival und hinterließ der Stadt sogar eines seiner berühmten Stencil Pieces. Auf einer grauen Betonsäule in der Steinwegpassage umarmt ein kleines Mädchen in Rock und Schnallenschuhen eine nach unten gerichtete Bombe. Um „Bomb Hugger“ vor Vandalismus zu bewahren, wurde eine Plexiglasscheibe davorgelegt. 2015 schrieb jemand das Wort „Graffiti“ mit blauer Farbe darüber, die Farbe lief über das Bild, woraufhin die Spiegelberger Stiftung die Säule zum Schutz mit Holz verkleiden ließ. Zu guter Letzt griff die SAGA ein, der das Gebäude in der Neustadt inklusive Säule gehört. Die Wohnungsgenossenschaft ließ das Stencil restaurieren.

Die Anekdote um das einzige Original-Graffito von Banksy in Hamburg zeigt, wie hoch im Wert der britische Street-Art-Künstler steht. Und wie gefährdet seine öffentlichen Werke sind. Die selbst ernannte Blockbuster-Ausstellung „The Mystery of Banksy. A Genius Mind“ zielt genau auf diese beiden Faktoren ab. Veranstalter Oliver Forster ist mit Wanderausstellungen, die stark auf das Erlebnis setzen anstatt „nur Bilder an der Wand zu zeigen“, eigentlich auf Musikerbiografien spezialisiert.

Banksy in Hamburg in stillgelegtem Galeria Kaufhof

Er sei „schon lange Fan von Banksy“, habe sich in den vergangenen Jahren mehrere Ausstellungen über ihn angesehen und am Ende doch gedacht: „Mach ich’s halt selbst.“ Wer Andy Warhol, Frank Sinatra und die Beatles kann, der kann auch Banksy.

Der Niedergang der öffentlichen Telefonzelle, interpretiert von Banksy.
Der Niedergang der öffentlichen Telefonzelle, interpretiert von Banksy. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Über 400.000 Menschen haben die Show bereits in anderen deutschen Städten gesehen. Und auch am Freitagvormittag, zur Eröffnung der Hamburger Ausstellung im Untergeschoss des stillgelegten Galeria Kaufhof an der Mönckebergstraße, ist das Besucherinteresse groß, die Zeitfensterkarten zu 18 Euro gehen flott über die Theke.

Banksy selbst ist nicht an der Ausstellung beteiligt

Eine „Welt- und Zeitreise durch das Gesamtwerk des Künstlers“, das im Laufe von mehr als 20 Jahren entstanden ist, verspricht Kuratorin Virginia Jean vor der Führung. Man könne durch unzählige Städte reisen und würde doch nur einen Ausschnitt seiner Arbeiten sehen. Denn viele auf Mauern und Häuserwände mit Schablonen gesprühte Bilder würden verunstaltet, übermalt oder gar entfernt werden, um sie dann gewinnbringend zu verkaufen. „Und am Ende landet dann eins davon im Schlafzimmer eines Milliardärs. Banksy findet das nicht cool und wir auch nicht“, so Jean.

Was so klingt, als stünde sie in regelmäßigem Kontakt mit dem Künstler. Dem ist nicht so: Die „Mystery“-Show ist eine „unauthorized exhibition“, das heißt, dass sie ohne Beteiligung von Banksy stattfindet, der ohnehin findet, dass Copyright für Loser ist.

Badezimmer-Installation: „Meine Frau hast es, wenn ich zu Hause arbeite.“
Badezimmer-Installation: „Meine Frau hast es, wenn ich zu Hause arbeite.“ © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Ein Team von international renommierten Graffiti-Künstlern hat sich ans Werk gemacht und 150 sehr gut gemachte Reproduktionen geschaffen, vom nachempfundenen Mural über Skulpturen bis zu gerahmten Gemälden, darunter auch so berühmte Motive wie der „Flower Thrower“ von 2015 oder „Girl With Balloon“ (2002), das Bild, das sich während einer Sotheby’s-Auktion durch einen Automatismus zur Hälfte selbst zerschnitt. Mit viel Aufwand haben die Kulissenbauer verschiedene Räume gestaltet, die auf wichtige Themen des Künstlers verweisen, dessen Arbeiten oftmals gesellschaftskritische Kommentare sind.

Das Entree bildet das nachempfundene Foyer des „Walled Off Hotel“ in Bethlehem, das Banksy zusammen mit anderen Kreativen gekauft hat und das mit „der schlechtesten Aussicht“, nämlich auf die palästinensische Mauer, wirbt. In einem weiteren Raum geht es um kritische Werke rund um die Autorität der Polizei; auch hier ein Motiv aus dem palästinensischen Grenzgebiet, bei dem ein Mädchen eine Leibesvisitation bei einem Soldaten durchführt. Der „Police Helmet“ von 2019 erinnert an eine Discokugel und kann in Banksys Onlineshop „Gross Domestic Product“ erworben werden – als „Spaß für die ganze Familie“.

2015 veranstaltete Banksy ein Anti-Disneyland in Somerset

Die sogenannten „Crude Oils“ sind von Banksy verfremdete Klassiker der Kunstgeschichte, so etwa „Show Me The Monet“ (2005): Der berühmte Seerosenteich von Claude Monet wurde hier mit Einkaufswagen vollgemüllt. Ohnehin sind Kontrast und Subversivität wichtige Elemente in Banksys Arbeit. Großartig auch sein Projekt „Dismaland. The Bemusement Park“ von 2015, ein Anti-Disneyland in der englischen Ferienregion Somerset, in dem Besucher fünf Wochen lang keinen Spaß haben konnten, sondern mit Problemen unserer Welt konfrontiert wurden, etwa in einem Gewässer Boot fahren, in dem lauter kleine überladene Flüchtlingsschiffe herumdümpeln.

„The Mystery of Banksy“ ist eine leicht zu konsumierende, Instagram-taugliche Ausstellung über den so berühmten wie rätselhaften Ausnahmekünstler. Sie hat aber nichts mit seiner ursprünglichen Art, Kunst zu denken, gemein. Die findet sich in der Steinwegpassage – im Vorbeigehen und umsonst.

„The Mystery of Banksy“ bis 3.10., Galeria Kaufhof UG (U/S Hauptbahnhof), Mönckebergstraße 3, Mo–Mi, So 10.00–18.00, Do, Fr, Sa 10.00–20.00, Zeitfenster-Tickets zu 18,-, erhältlich in der Hamburger-Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, Tel. 040/30 30 98 98, www.maystery-banksy.com