Hamburg. Am Donnerstag startet die Ausstellung „The Art of the Brick“ in der Kulturcompagnie. Nathan Sawaya fertigt Skulpturen aus Legosteinen.

Hamburg Wer in den nächsten Wochen durch die Räume der Hamburger Kulturcompagnie im Automuseum Prototyp streift, der lässt die Gedanken nach Hause wandern. Auf den Dachboden, in den Keller oder in die Kinderzimmer. Wo zur Hölle ist die Kiste mit den Legosteinen? Denn wohl keine Ausstellung der vergangenen Jahre in Hamburg dürfte so inspirierend sein wie „The Art of the Brick“ („Die Kunst des Bausteins“), die vom 12. Mai bis zum 19. Juli mehr als 100 Kunstwerke zeigt – erbaut aus einer Million Legosteinen.

In den verschiedenen Themenbereichen sind lebens- und überlebensgroße Menschen und Tiere in diversen Stellungen und Gefühlslagen zu sehen, nachgebaute Kunstwerke wie die Mona Lisa und komplexe, expressionistische Fantasie-Skulpturen. Ein Höhepunkt ist ein fast sechs Meter langes Skelett eines Tyrannosaurus Rex.

Der klassische Beginn der Lego-Leidenschaft

Baumeister dieser weltweit vielfach ausgezeichneten Ausstellung, die erstmals in Deutschland zu sehen ist, sind allerdings keine großen Teams von Steinestaplern wie etwa im Legoland Billund. Sondern ein Mann, der sich seinen kindlichen Spieltrieb und Erfindungsgeist bewahrt hat und im Wortsinn große Kunst umsetzt und aufeinandersetzt: Nathan Sawaya.

Der 1973 in Colville, Washington, geborene und in Los Angeles und New York lebende Künstler griff wie viele Kinder zum Legostein, um seine Fantasien in Klotzgebilde zu formen. Und als ihn sein Anwaltsberuf nicht mehr erfüllte, baute er von 2004 an Werke berühmter Künstler wie Rembrandts Selbstporträt aus Legosteinen nach und stellte sie 2007 im Lancaster Museum of Art aus, das dadurch seine Besucherzahlen mehr als verdoppelte.

Sawayas Skulpturen beginnen mit der Idee, einer Inspiration, die er auf seinen zahlreichen Reisen sammelt. Das kann die Brooklyn Bridge sein oder ein Traumbild. Im Anschluss wird ein Entwurf gezeichnet und dann Stein für Stein verwirklicht. „Du fügst einen Stein hier hinzu, nimmst dort einen wieder weg, es ist im Prinzip wie beim Modellieren mit Ton“, erzählt Sawaya bei einem Treffen im Museumscafé. Und Steine hat er genug. Fünf Millionen sind es derzeit, die in seinen beiden Ateliers lagern. Dauert es da nicht ewig, den einen Stein zu suchen, der an eben jener Stelle der Skulptur gebraucht wird? Sawaya lacht: „Nein. Ich benutze ja nur die klassischen eckigen Steine, die sind entsprechend nach Form und Farbe sortiert.“

Star-Wars-Raumschiffe und Surrealismus

Sawaya bedient sich der Steinformen, die in seiner Kindheit in den 70er-Jahren die Basis des Lego-Erfolgs bildeten. Daraus baute er X-Wing- und Tie-Fighter und anderes Fluggerät aus den „Star Wars“-Filmen nach. Heute kann man sogar den Todesstern als fertiges Set (für 600 Euro) kaufen, und viele Teile aktueller Lego-Pakete sind runde, schräge, transparente, bemalte und bedruckte Sondersteine- und Figuren, die nicht so vielseitig verwendbar sind wie der 1961 in den USA patentierte Acht-Noppen-Klotz. „Aus Spielzeugsicht ist es natürlich toll, wenn der Lego-Todesstern wie ein Todesstern aussieht, aber ich bleibe weiterhin bei den alten, rechteckigen Klötzen“, erzählt Sawaya. Und damit ist eine Menge möglich. „Am Anfang baute ich noch ganz einfache Motive. Einen Bleistift oder einen Apfel. Das hat sich über die Jahre entwickelt und wurde abstrakter. Aber meine große Leidenschaft ist die Verbindung von Mensch und Emotion mit der Bildsprache des Surrealismus.“ Beispielhaft dafür sind seine bekanntesten Skulpturen, die Figuren „Yellow“ (Gelb), „Red“ (Rot) und „Blue“ (Blau).

Beim Entwerfen von Lego-Skulpturen gibt es keine Grenzen, keine Limits: „Alles ist möglich, man könnte ein ganzes Museum aus Legosteinen bauen, von den ausgestellten Objekten bis hin zu den Wänden, Fußböden und Dächern“, fantasiert Sawaya. Wobei selbst er so ein Mammutprojekt kaum alleine vollenden könnte. Alleine der Tyrannosaurus Rex verschlang drei Monate Arbeit. „Geduld ist da schon angebracht. jeder Stein wird beim Aufsetzen verleimt, und wenn ich etwas ändern will, muss ich zum Hammer greifen und das Ergebnis stundenlanger Detailarbeit zerstören.“

Erfolge der Ausstellung in Asien und Australien

Der einfache Spielzeugstein ist nicht nur für ihn ein Designklassiker. „Marcel Duchamp hätte einfach nur einen Stein hinlegen und zum Kunstwerk erklären können. Für mich jedenfalls ist der Legostein ein Meilenstein der Kunstgeschichte.“ Er war die Basis des Erfolgs des dänischen Spielzeugkonzerns, der auch längst Kulturträger ist. Legofilme vom Fanprojekt mit Stop-Motion-Technik auf YouTube bis zu abendfüllenden Animationsfilmen wie „The Lego Movie“ (2014) sowie Videospiele verbinden Kultur und Werbung. Für immer mehr Vollzeitkünstler hat der Legostein die Leinwand, den Ton und den Gips ersetzt. Rene Hoffmeister und Beth Weis und weitere „LEGO Certified Professionals“ sind renommierte Baumeister, und Nathan Sawaya ist der bekannteste.

Sawayas Werke sind längst Teil amerikanischer Kunstsammlungen und Museen, „The Art of the Brick“ tourte schon in Asien und Australien. Auch darum verleimt Sawaya seine Steine. „Es würde etwas lange dauern, jedes Objekt nach dem Transport vor Ort neu aufzubauen“, lacht er. Zudem sollen seine Werke nicht nur begreifbar, sondern auch greifbar sein. Wo Lego ist, da sind auch Kinder, da darf ein T-Rex nicht ins Wanken kommen.

Wobei beim Transport, eingepackt und im Container verfrachtet, in den vergangenen neun Jahren immer wieder etwas zu Bruch ging und repariert werden musste. Aber Ersatzteile hat Sawaya ja genug.

Bis zum 19. Juli ist „The Art of the Brick“ in der Kulturcompagnie zu erleben, und der Besucherzuspruch dürfte bei der Popularität von Lego auch in Hamburg enorm sein. Karten kann man sich im Vorverkauf in der Abendblatt-Geschäftsstelle sichern. Achtung: Tickets für die Wochentage sind den ganzen Tag gültig, für die Wochenenden gelten sie nur stundenweise, um noch eine Balance zwischen Andrang und Bewegungsfreiheit zu sichern. Und für Kinder: Es sollen auch Legosteine zum Selberbauen verfügbar sein.

Und im Anschluss an den Besuch von „The Art of the Brick“ fährt man aus der HafenCity nach Hause, geht in den Keller und schaut, ob noch Legosteine da sind. Für einen Todesstern zum Beispiel. Oder zumindest ein Trümmerteil von ihm. Ein kleines.

„The Art of the Brick“ Do 12.5. bis Di 19.7., täglich 10.00–19.00, Hamburger Kulturcompagnie im Automuseum Prototyp (U Überseequartier, Bus 111), Shanghaiallee 7, Karten ab 15,-, Kinder von 6 bis 14 J. ab 11,-, Familienkarte ab 42,- unter der Abendblatt- Tickethotline 30 30 98 98 und in der Abendblatt- Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32; Infos im Internet: www.taotb.de