Hamburg. Hope hätte es sich einfacher machen können. Keine leichte Kost auch für das SHMF-Orchester unter Christoph Eschenbach. Beachtlich!
Daniel Hope hätte es sich einfacher machen können, diesen Punkt hat der Geiger eindeutig sicher. Wenn man wie er beim diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) mit 50 Konzerten ein dauerpräsenter Themenschwerpunkt auf Beinen ist, ließen sich bei der Programmzusammenstellung die schwerer greifbaren Stücke für das sommerliche Hin und Her zwischen Nord- und Ostsee gut umfahren.
Das Britten-Violinkonzert ist jedenfalls auf den ersten Blick kein umgänglicher Publikumsliebling – also so ziemlich das genaue Gegenteil von Hopes Bühnen-Naturell. Und die Kombination mit Bruckners Fünfter ist ebenfalls keine leichte Kost, dem SHMF-Orchester unter Leitung seines Ehrendirigenten Christoph Eschenbach stand für den Auftritt im Großen Saal der Elbphilharmonie eindeutig kein lauschig launiger Abend bevor.
Elbphilharmonie: Hope mit Britten, Eschenbach mit Bruckner
Ganz und gar kann und kam Hope beim Britten aber doch nicht aus seiner Haut. Obwohl die Grundstimmung dieses Konzerts eher nüchtern und dramatisch verdunkelt ist, begann Hope es mit einem zu süffigen Ton, mit wenigen farblichen Abstufungen, starkem Vibrato und heftigen Akzentsetzungen. Vom Komponisten so wohl nicht vorgesehenen Unschärfen gab Hope damit geschickt den Anschein des noch halbwegs Erlaubten.
Doch je tiefer Hope sich in die spröd-schöne Klangwelt dieses Konzerts bewegte, desto wahrhaftiger und ernster wurde die musikalische Aussage. Gerade so gut zu spielen, wie es nötig ist, um in der Bahn zu bleiben, war hier keine Option mehr. Hope wollte dem Stück entschieden gerecht werden, die Intensität wurde von Satz zu Satz markanter und packender, die Solo-Kadenz-Passagen waren spannend und ausdrucksstark und nicht lediglich unbegleitete Fingerübungen.
- Daniel Hope - „Wir werden extrem relevant sein“
- Christoph Eschenbach - „Große Musik spricht aus sich selber“
- Ivo Pogorelich - So bewundernswert wie verstörend
Im Schlusssatz hatten Solist, Orchester – von Eschenbach souverän und unaufgeregt in der Spur gehalten – und Werk endgültig zueinandergefunden, bis die Solo-Violine sich ins Nichts ihrer letzten Phrase aushauchte. Schade fast, dass Hope nach seiner „Moin Hamburg“-Wortmeldung fürs verzückte Publikum mit einer Raga-Portion von Ravi Shankar und einer Bearbeitung von Brahms‘ „Wiegenlied“ doch noch in den jovialen Entertainer-Modus zurückfiel.
Elbphilharmonie: Gut durchblutet statt nur vergeistigt
83 Jahre und ein bisschen zu zurückgenommen? Diesen Eindruck wollte Eschenbach bei seiner Bruckner-Unterrichtseinheit für das Jugendorchester vor Publikum vermeiden. Er begann den Kopfsatz zügig und steigerte sich trittsicher in das weit ausholende Themengeschehen hinein. Metaphysisch und jenseitig klang es nicht, fast schon forsch, gut durchblutet statt nur noch vergeistigt. Für das junge Orchester eine sehr nachvollziehbare Leitlinie.
Der Holz-Satz gestaltete sich schön ausgewogen, das tapfer auftrumpfende Blech ließ sich durch die vielen heiklen Solo-Passagen nicht einschüchtern. Im Finale brachte Eschenbach dem Tutti bei, wie viel man mit dem geduldigen Blick aufs große Ganze erreichen kann. Er schichtete als Bogenarchitekt eine Themenverarbeitungs-Runde auf die andere, bis sich letztlich die Himmelstür für Bruckners Kniefall vor seinem Schöpfer weit öffnete. Eine sehr reife, sehr beachtliche Leistung.
Nächstes SHMF-Konzert mit einem Violinkonzert „made in Great Britain“: 21.8., 20 Uhr: Philharmonia Orchestra, Christian Tetzlaff (Violine), Santtu-Matias Rouvali: Elgar Violinkonzert / Tschaikowsky 5. Sinfonie, Elbphilharmonie, Restkarten, Infos: www.shmf.de