„Arielle, die Meerjungfrau“ war 1989 ein großer Kinohit. Jetzt gibt es eine sehr zeitgemäße Neuauflage. Nur eins ist nicht ganz schlüssig.
Die Nachricht, der Zeichentrickfilm „Arielle, die Meerjungfrau“ werde neu und real verfilmt, war 2019 kaum raus, da hagelte es schon Kritik. Weil eine Schwarze, die R&B-Sängerin Halle Bailey, die Titelfigur spielen sollte. Auf Twitter wurde unter dem Hashtag #NotMyAriel sogar zum Boykott des Films aufgerufen. Weil das dem Aussehen der „true little mermaid“ des Dänen Hans Christian Andersen widerspreche.
Schön, dass das Disney-Studio sich nicht beirren ließ und diesen Film zu seinem 100. Jubiläum ins Kino bringt. Disney bietet Kindern damit auch mal eine andere Identifikationsfigur. Und nicht nur eine: Arielles Schwestern haben alle möglichen Hautfarben und Nationalitäten. Und sind doch ganz selbstverständlich eine Familie.
Die neue Arielle: ein klares Bekenntnis zu Diversität
Wer sich damals erregt hat, als es noch nicht mal einen Trailer zu sehen gab, sollte jetzt einfach mal ins Kino gehen. Und wird feststellen: Halle Bailey ist zwar eine etwas andere Arielle, aber sie ist ebenfalls bezaubernd. Und wenn sie erst mal den legendären Song „Part of your World“ singt, wird jede Kritik im Keim erstickt.
Die Realverfilmung ist auch sonst ein klares Bekenntnis zu Diversität. Nicht nur unter Wasser. Auch Prinz Erik (Jonah Hauer-King) hat in dieser Version Familie. Zumindest eine Mutter. Die Königin aber ist schwarz und hat ihn als Findelkind aufgenommen. Auch das wird nie hinterfragt.
Es geht um um Grenzüberschreitung und den Abbau von Ängsten vor dem Fremden
Aber immer schon ging es in diesem Film, und auch in Andersens Märchen, um Grenzüberschreitung und den Abbau von Ängsten vor dem Fremden. Arielle will die Welt der Menschen da oben, über dem Meeresspiegel, kennenlernen, auch wenn ihr grollender Vater Triton (Javier Bardem) das strikt verbietet: Dieselbe Neugier wurde einst Arielles Mutter zum Verhängnis.
Auch Erik, in den Arielle sich verliebt, will hier die weite Welt bereisen, auf andere Kulturen zugehen. Er sieht darin die Zukunft seines Landes, vor der die Königin sich bang abschottet.
Rob Marshall, der reichlich Erfahrung mit Musical-Verfilmungen („Into the Woods“, „Nine“) hat und schon einen anderen Disney-Klassiker neu verfilmen durfte („Mary Poppins Rückkehr“), zaubert aus dem Trickfilm von 1989 erneut einen großen, knallbunten Spaß für die ganze Familie – mit atemberaubenden Unterwasseraufnahmen. Irgendwie ist das Blockbusterkino ja gerade im Tiefenrausch, nach Marvels „Wakanda Forever“ und Camerons „Avatar: The Way of Water“ badet nun auch Disney buchstäblich in Wasserwelten.
Melissa McCarthy ist als Riesenkrake mit neonleuchtenden Saugnäpfen ein Hingucker
Dabei wird die Tierwelt mit digitalen Mitteln zu staunenswerten Balletten von Seepferdchen, Delfinen und Schildkröten animiert. Und die Meereshexe Ursula, mit diebischer Freude von Melissa McCarthy gespielt, ist ebenfalls ein Hingucker, wie sie sich als Riesenkrake mit neonleuchtenden Saugnäpfen an Arielle heran- und herumschlängelt. Sie stiehlt ihr nicht nur die Sirenenstimme (im Tausch für drei Tage Menschsein), sondern auch ein bisschen die Schau.
Die Macher des Films wissen natürlich, dass fast alle das Original kennen, und spielen mit den Erwartungen. Sie folgen dem Trickfilm ziemlich originalgetreu, setzen aber markante Akzente. Arielle ist hier etwas schlauer und aktiver als anno 89. Auch die Vermüllung der Meere und die Zerstörung der Riffe sind hier Thema. Und diesmal, so viel Gleichberechtigung muss sein, darf auch der Prinz singen. Und am Ende gibt’s sogar Meerjungmänner und -kinder. Und alle leben in friedlicher Koexistenz.
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Nur eins ist nicht ganz schlüssig. Alan Menken hat eigens für den Film drei neue Songs geschrieben. Einen singt Arielle aber, als sie schon keine Stimme mehr hat. Schon klar, ist nur eine innere Stimme. Aber dabei bewegt sie doch die Lippen. Wie erklärt man das seinen Kindern?
„Arielle, die Meerjungfrau“ 135 Minuten, ab 6 Jahren, läuft in der Astor FilmLounge, im Blankeneser, im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Koralle, Savoy, im UCI Othmarschen/Mundsburg/Wandsbek