Der harte, schroffe Film erzählt aus der Jugend von Stand-up-Comedian und Podcaster Felix Lobrecht in Gropiusstadt.
Der Papa hat gut reden. Von wegen: Der Klügere gibt nach. Dabei wollte Lukas dem Streit ja ausweichen. Hat sich nicht gewehrt. Ist davongelaufen. Aber seine Freunde haben seine Schrammen gesehen. Sind auf „die Araber“ los. Dabei haben alle Blessuren davongetragen. Und jetzt soll Lukas den Arabern auch noch 500 Euro hinlegen. Sonst stehen die vor seiner Wohnung. Was wird der Vater dann wohl sagen? Der ältere Bruder wäscht Lukas den Kopf: Hör nicht auf den Alten. Das Gesetz der Straße ist ein anderes: Der Klügere tritt nach.
Willkommen in Gropiusstadt. Die traurige Anhäufung trister Hochhäuser am äußersten Zipfel Neuköllns. Was für den berühmten Architekten, der dem Areal seinen Namen gab, mal die Vision einer Stadt der Zukunft war, ist längst zum Problemkiez für Abgehängte, Alkis und Asoziale geworden. Im Kino kennt man das schon aus „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Ist aber auch schon 40 Jahre her.
„Sonne und Beton": erzählt aus der Jugend von Felix Lobrecht
Jetzt gibt’s eine Neuauflage: „Sonne und Beton“. Wie „Christiane F.“ basiert auch dieser Film auf dem Buch von einem, der hier aufwuchs: Comedian Felix Lobrecht, der darin seine eigene Jugend in Gropiusstadt beschreibt. Als 14-Jähriger im Jahr 2003. Da hieß der Kanzler noch Schröder, und die Kids tippten ihre Messages noch in winzige Nokia-Geräte. Aber dieser Film ist keine Geschichtsstunde. Er wirkt ganz heutig. So viel scheint sich nicht geändert zu haben.
„Mein Block dreht durch / Jeder scheißt auf dich!“, heult es uns gleich anfangs als Rap entgegen. Wie der Film überhaupt von Anfang an einen Wumms hinlegt. Und den Blick radikal auf eine Problemzone richtet, bei der die Gesellschaft lieber wegguckt. Bei Detlev Buck war Neukölln noch „Knallhart“, das war vor 15 Jahren. Bei David Wnendt, der das Buch verfilmt und das Drehbuch gemeinsam mit Lobrecht verfasst hat, ist dieser Teil von Neukölln Knallhart 2.0. Taff. Ruppig. Gnadenlos.
Ein harter, schroffer Film, wie man ihn selten im deutschen Kino erlebt
Lukas (Levy Rico Arcos) hat es noch relativ gut. Alles, was ihm von seiner Mutter blieb, ist zwar eine Schneekugel, und mit der neuen Familie seines Vaters (Jörg Hartmann) versteht er sich nicht. Aber er hat gute Noten und einen Lehrer, der glaubt, er habe das Zeug fürs Gymnasium. Nur kann Lukas seinen Schülerausweis nicht finden. Und wird erst gar nicht in die Schule reingelassen.
Also hängt er halt mit seinen Freunden ab. Die haben es weit schwerer. Sanchez (Aaron Maldonado Morales) lebt allein mit seiner Mutter, Julius (Vincent Wiemer) hat gar keine Eltern mehr. Am schlimmsten aber hat es Gino (Rafael Luis Klein-Hessling) erwischt, mit seinem cholerisch prügelnden Vater. Lauter Teenies aus prekären Verhältnissen, von denen schon jetzt keiner mehr glaubt, dass sie eine Zukunft haben. Also leben sie im Hier und Jetzt. Chillen, Kiffen, Mädelsaufreißen. Was man halt so macht in dem Alter. Wenn nur nicht die Araber-Gang hinter ihnen her wäre.
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Raue Sozialdramen aus tristen Hochhaus-Brennpunkten, das kennt man eher aus den Banlieues im französischen Kino. „Sommer und Beton“ zeigt einmal deutsche Verhältnisse, rau, mit pulsierender Musik und rotzigen Bildern. Vor allem aber lebt dieser Film von seinen Darstellern. Die Jüngeren überwiegend Laien, neue, unverbrauchte Gesichter, auf der Straße entdeckt. Die Älteren Rapper, die schon Street Credibility mitbringen – und ihren eigenen Sound. Dazwischen der arme Lukas, der niemandem was tun will, sich dennoch nicht raushalten kann und ständig auf die Fresse kriegt.
Ein harter, schroffer Film, wie man ihn selten im deutschen Kino erlebt. Ein Film, der mehr sagt über die Verhältnisse in unseren Großstädten als viele Betroffenheitsreportagen. Denn die vier Jungs dieses Films, sie lassen sich nicht unterkriegen. Kumpels sind sie von Anfang an. Kumpels, echte Freunde werden sie aber erst durch die Hölle, die sie zusammenschmiedet.
„Sonne und Beton“ 119 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Cinemaxx Dammtor, Harburg, Wandsbek, Koralle, Savoy, Studio, UCI Othmarschen, Mundsburg, Wandsbek, Zeise