Hamburg. Die junge Regisseurin Berfin Orman zeigt am Thalia in der Gaußstraße ihr Abschlussstück. Endet der Trip mit einer tragischen Wendung?
Peng! Es scheppert ordentlich, wenn Bernd Grawert die unterschiedlich eingefärbten Metallstücke des Bühnenbildes in der Garage des Thalia in der Gaußstraße neu gegeneinander ausrichtet. Auch in der Beziehung zwischen dem von ihm gespielten Vater und der von Meryem Öz gegebenen Tochter knarzt es immer wieder.
Die junge Astrophysikerin emigrierte mit ihm einst aus der ehemaligen Sowjetunion nach Frankreich, kämpfte sich dort als Akademikerin hoch und blieb doch innerlich verloren in einer Welt, in der ihr ein Teil von sich selbst zu fehlen scheint. Nun hat sie eine Menge Wut im Bauch und konfrontiert den überforderten Mann.
Thalia Gaußstraße: Orman präsentiert Theater-„Roadmovie“ als Abschlussstück
Das Stück der in Moskau geborenen und zwischen Russland, Frankreich und Deutschland aufgewachsenen Autorin Marina Skalova mit dem so schön poetischen Titel „Der Sturz der Kometen und der Kosmonauten“ bietet der jungen Regisseurin Berfin Orman eine ideale Vorlage, um über Fragen von Identität, den Zerfall der Sowjetunion und die Segnungen und Flüche des Kapitalismus nachzudenken. Als eine Art „Roadmovie“ mit mehreren Stationen, bietet es zudem viel szenisches Potenzial. Orman präsentiert damit nach drei Jahren Regieassistenz ihr Abschlussstück in der Reihe „Junge Regie“.
Die Tochter begreift erst allmählich, dass der Vater genauso vom vermeintlichen Paradies in der Fremde enttäuscht ist wie sie. Sein Doktortitel wurde in Paris nicht anerkannt – seitdem verhökert er Autos und überführt sie manchmal nach Moskau. Ein solcher Deal wird zur willkommenen Gelegenheit für beide, es noch einmal mit einer Annäherung zu versuchen. Sie teilen einander vieles mit – aber nicht alles. Ihre enttäuschten Lieben etwa erzählen sie auf der Bühne sich selbst.
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Mitunter überschlagen sich die Mittel der Regie
Es sind in ihrer Verstörtheit, Sehnsucht und Sinnsuche liebenswerte Figuren. Meryem Öz legt eine kühle Analytik an den Tag und eine innere Rebellion, die in wenigen Momenten Verletzlichkeit spürbar macht. Bernd Grawert hat sich arrangiert, lässt aber viel Zartheit durchscheinen, vor allem, wenn er mit Fingerspitzengefühl Keyboard und E-Gitarre bedient (Musik: Felix Weigt) und „Born in the USSR“ singt. Überhaupt lässt Berfin Orman beiden den Raum in surreale Träume voller Alltagsmagie abzudriften. Mitunter überschlagen sich da die Mittel der Regie.
Die Schauspieler spielen sich die Bälle dieses sehr rhythmisch angelegten Stückes zu. Mal verkleiden sie sich als Klageweiber der Straße, dann wieder als Atome im All (Bühne und Kostüme: Katharina Arkit). Manches erhellt sich auf der Reise, manche Leerstelle wird gefüllt. Am Ende bleiben Vater und Tochter doch zwei Planeten, deren Trip womöglich mit einer tragischen Wendung enden wird.
„Der Sturz der Kometen und der Kosmonauten“ weitere Vorstellungen 24.2., 20.3., 27.3., 28.3., jew. 20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße (Garage), Gaußstraße 190, Karten unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de