Über Thomas Mann und andere Nazi-Flüchlinge in Kalifornien und einen schillernden notorischen Lügner in Berlin.

„Deutsch-Kalifornien“ wurde dieser berühmte Ort deutscher Kultur bisweilen genannt. Das „Weimar unter Palmen“. Pacific Palisades, gelegen zwischen den Santa Monica Montains und dem Pazific, wurde in der Nazi-Zeit zum Zufluchtsort europäischer Künstler und Intellektueller. Ins nationale Bewusstsein rückte der heutige Nobel-Stadtteil von Los Angeles, in denen Entertainment-Größen wie Tom Cruise, Tom Hanks und Steven Spielberg leben, vor ein paar Jahren, als der Bund die vom Abriss bedrohte Villa eines Weltstars der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaufte.

Ein „Deutsch-Kalifornien“ am Pazifik

Thomas Manns Superbutze, in der der Autor der „Buddenbrooks“ von 1942 bis 1952 wohnte, spielt in Thomas Blubachers „Weimar unter Palmen. Die Erfindung Hollywoods und das Erbe des Exils“ (Piper, 24 Euro) eine Rolle, aber wunderbarerweise keine alles erdrückende. Blubacher weiß, dass die deutsche kulturelle Emigrationsgeschichte reichhaltiger ist als das, was Manns Tagebücher hergeben – obwohl er der „Kaiser aller deutschen Emigranten“ (Ludwig Marcuse) war. Um die VIPs Feuchtwanger, Brecht, Werfel sammelten sich noch viel mehr Exilierte. Um die Verbindungen der Alten mit der Neuen Welt, das Aufeinandertreffen von europäischem Geist und amerikanischer Unterhaltungsindustrie geht es diesem stilsicheren Autor, der die letzten lebenden Einwanderer einst selbst noch traf.

Sie berichteten vom „nervösen Schrecken der Heimatlosigkeit“ (Mann) und kalifornischer Rettung aus deutschem Elend. Aus Büchern, Briefen, Selbstzeugnissen kondensierte Blubacher eine faszinierende Geschichte des Neuanfangs.

Jacob Taubes: Faszinierende Persönlichkeit der Nachkriegszeit

Jacob Taubes kennt man jenseits akademischer Diskurse heute nicht mehr, muss man auch nicht. Hinterlassen hat der Religionsforscher und Judaist keine Schrift außer seiner Doktorarbeit. Taubes (1923-1987) spielte im geistigen Leben der Bundesrepublik keine überragende Rolle, hatte aber die Fähigkeit, dank umfassender Lektüreerfahrungen jede Diskussion zu befruchten. „Lieber Taubes, ich glaube Ihnen kein Wort, aber mit Ihnen zu reden, ist wirklich gut“, hat ihm ein Berliner Dozenten-Kollege mal attestiert.

Womit man beim Speziellen der bewundernswerten, 1000 Seiten dicken Biografie „Professor der Apokalypse. Die vielen Leben des Jacob Taubes“ (Suhrkamp, 58 Euro) wäre: Der Amerikaner Jerry Z. Muller widmet sich in seinem Buch einem schillernden Mann, den sie aufgrund mancher Unredlichkeit „Jakob der Lügner“ nannten. Gewissermaßen ein Vorgänger Trumps also, der Freunde und Feinde hatte, weil er hochstapelte und nirgendwo dazugehörte: als Linker und Jude, der mit dem Antisemiten Carl Schmitt verkehrte. Dieses Buch erzählt fesselnd von der Nachkriegszeit und einem chaotischen Erotomanen, der polarisierte und den meisten rätselhaft blieb