Utrecht. Das japanische Kollektiv Yamato präsentiert seine aktuelle Show gleich viermal auf Kampnagel. Was das Publikum erwartet.
Es erinnert an die Zeit vor Corona: Knapp 600 Menschen stehen an diesem Abend Ende Mai dicht an dicht im ausverkauften Theatersaal der Stadsschouwburg Utrecht, dem bedeutendsten Theater der viertgrößten Stadt der Niederlande. Sie klatschen vor Begeisterung, schreien, lachen und springen in die Luft. Der Boden bebt und die Luft riecht nach Schweiß. Das Publikum wirkt euphorisiert durch den Auftritt der japanischen Trommlergruppe Yamato. „Ich sag ,Ha‘ und ihr schreit ,Ho‘!“, ruft einer der muskulösen Trommler auf Englisch ins Publikum, bevor er mit einem selbst geschnitzten Drumstick kräftig auf die Jahrhunderte alte Holztrommel schlägt. Auch als er kurz darauf die Faust hebt, tut es ihm das Publikum gleich.
Yamato in Hamburg: Im Sog der Trommelrhythmen
Es scheint, als hätten sie alle, sowohl das Publikum als auch Yamato, sehnsüchtig auf diesen Auftritt gewartet. Nach fast zwei Jahren pandemiebedingter Zwangspause war es für die zehnköpfige Trommlercombo die erste Tournee innerhalb Europas. Nach insgesamt 22 erfolgreichen Auftritten in den Niederlanden fand sie Ende Mai in Utrecht ihren krönenden Abschluss.
Normalerweise sind die Yamatos mit ihrer Show rund 200 Tage im Jahr quer über den ganzen Erdball hinweg unterwegs und erwecken mit ihrem Trommelspiel menschliche Urinstinkte. So scheint es zumindest, blickt man in die Gesichter der Zuschauer ihrer neuen Show „Tenmei“ (Deutsch: Schicksal) – eine Anspielung auf die Pandemieerfahrung und die grundsätzliche „Abhängigkeit der Welt vom Schicksal“, wie Gründer und künstlerischer Leiter Masa Ogawa am Folgetag im Gespräch erklärt.
„Wir haben keine Story“, sagt Ogawa, der selbst einmal als Teil der Gruppe auf der Bühne stand und mit seinem oliv-grünen Fischerhut und der blauen Sweatshirtjacke auffällig jung wirkt. „Wir wollen, dass der Zuschauer sich während unserer Show seine eigene Geschichte überlegt, dass er sie fühlt.“ Das Stück „Temperament“, bei dem einige der Performer mit leuchtenden Papierlaternen oberkörperfrei um ihre Instrumente tanzen, auf Japanisch singen und sich durch die hohen traditionellen Holzflötenklänge zweier Performerinnen beschwingen lassen, soll dem künstlerischen Leiter zufolge zwar ein gewisses Temperament auf die Zuschauer übertragen. Vor allem aber soll das Stück dessen eigenes Temperament erwecken.
Was treibt die Künstler an?
Vielleicht ist es diese erzählerische Offenheit, die den Drang des Publikums erzeugt, sich den lauten und schnellen Klängen der traditionellen Holztrommeln hinzugeben und derartig enthusiastisch auf die humorvollen Elemente der Performer zu reagieren. In einer Mischung aus Entertainment und Tradition vereint Yamato seine Trommelkunst mit den meditativen Klängen japanischer Holzflöten und traditioneller Saiteninstrumente.
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Vielleicht ist es aber auch die besondere Sinnbildlichkeit, die die durchtrainierten Künstler beim klangvollen Beckenschlagen, Trommeln und Schreien mit einer beeindruckenden physischen Leistungsfähigkeit präsentieren. Im Durchschnitt verliere
jeder Performer und jede Performerin zwischen zwei bis drei Kilo während eines Auftritts an Gewicht, sagt Ogawa.
Doch was treibt jene Künstler an, die sich allesamt in ihren 20ern befinden, nahezu pausenlos zu touren und dabei vor allem Theater und andere Veranstaltungsorte zu sehen? Neben dem intensiven Proben und Konditionstraining bleibt der Gruppe kaum Zeit, die jeweilige Stadt zu erkunden, in der sie sich gerade befindet.
„Uns gibt es jetzt seit mittlerweile fast 30 Jahren"
„Es ist das Gefühl der Verbindung“, erklärt Ogawa. Durch ihre Show könne die Gruppe Kontakt zu den Menschen aufbauen. Zudem sei es schön, der Welt die traditionelle Taiko-Kunst näherzubringen. „Uns gibt es jetzt seit mittlerweile fast 30 Jahren. Doch durch die wechselnden Performer verändert sich unsere Show andauernd.“ Yamato nutze zwar traditionelle japanische Instrumente, erschaffe sich durch die Kreativität der jungen Mitglieder jedoch immer wieder neu, so der Gründer.
Der besondere Zusammenhalt der Gruppe basiere vor allem auf dem gemeinsamen Alltag von Yamato, erklärt Ogawa. Die insgesamt 17 Performerinnen und Performer und ihr künstlerischer Leiter leben in einem Wohnkomplex mit gemeinsamem Wohn- und Esszimmer, wobei Frauen und Männer jeweils in getrennten Häusern schlafen. „Anfangs hatten wir kein Geld und haben uns deshalb ein gemeinsames Haus gemietet. Doch jetzt wollen wir als Gruppe explizit so leben.“
Abseits von jeglichem Trubel wohnt Yamato in Asuka, einem Dorf in der südlich gelegenen Präfektur Nara, das vor allem für seine archäologischen Schätze bekannt ist. Umgeben von Denkmälern und Fundstätten starten die 17 Mitglieder jeden Tag um 5 Uhr morgens mit einem elf Kilometer langen Dauerlauf in den Tag und üben bis spät abends um 23 Uhr oder Mitternacht, wie Ogawa berichtet. Anschließend gingen alle Mitglieder gleichzeitig zu Bett.
Yamato ist im Januar auf Kampnagel zu Gast
„Durch diese Art von Zusammenleben verstehen wir uns auch ohne Worte.“ Besonders während Corona sei diese Tagesstruktur für das Durchhalten der Gruppe enorm entscheidend gewesen. „Wir hatten keine Shows und dadurch auch keinerlei Einnahmen. Das hat dazu geführt, dass wir uns fast aufgelöst hätten“, verrät Ogawa. Online-Shows und das Feedback ihrer Fans haben die Gruppe schließlich zusammengehalten.
Auch als das gesamte Team im vergangenen März nach ihrer Show in Dubai an Corona erkrankt war und sich gemeinsam zehn Tage in Quarantäne begeben musste, habe das Zusammengehörigkeitsgefühl enorm geholfen, so Ogawa. Als Yamato dann vor der Entscheidung stand, in den Niederlanden zu spielen, wo es so gut wie keinerlei Corona-Beschränkungen mehr gab, gab es ein kurzes Zögern. „Im Nachhinein sind wir aber froh, die Tour gespielt und die Emotionen der Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren zu haben. Das gab uns Energie.“ Von der kann demnächst auch das Hamburger Publikum kosten: Vom 24. Januar an ist Yamato auf Kampnagel zu Gast.
Yamato – The Drummers Of Japan Di 24.1., 19.30, Mi 25.1., 18.30, Do/Fr 26./27.1., jeweils 19.30, Sa 28.1., 14.30 und 19.30, So 29.1., 13.30 und 18.30, Kampnagel, Karten unter www.yamato-show.de Die Pressereise nach Utrecht wurde unterstützt durch die BB Promotion GmbH