Hamburg. Die dringend erforderlichen Programmhefte schafften es nicht rechtzeitig nach Hamburg. Villazóns Stimme klang zuweilen heiser.

Wer eine Tournee mit einem Sängerstar wie Rolando Villazón veranstaltet und sich die Programmhefte von einem Veranstaltungsort zum anderen per Post senden lässt, kann vor Weihnachten dann schon mal in Schwierigkeiten geraten. So geschehen am Freitag bei Villazóns „Musikalischer Weltreise durch die Zeit“, bei der die Hefte ihre Paketdienst-Reise bis zur Laeiszhalle nicht rechtzeitig schafften und das Publikum ohne den Moderator Holger Wemhoff schon etwas ratlos vor einem doch sehr anspruchsvollen Programm gestanden hätte.

Vorgestern seien sie noch in Nürnberg aufgetreten, erzählte der Klassik-Radio-Moderator zur Begrüßung, er selbst sei von der Nachricht ganz überrascht gewesen, dass der Zulieferer die Laeiszhalle eigenen Angaben zufolge nicht rechtzeitig finden konnte.

Rolando Villazón klingt zuweilen heiser

Das neue Programm des Sängers, das vom Juni auf den Dezember verschoben wurde, hatte es in sich und überforderte vielleicht auch manche, die sich auf bekanntere Lieder und Arien eingestellt hatten. Villazón hatte eine sehr spezielle, intime Auswahl von deutschen, französischen und italienischen Liedern getroffen und im zweiten Teil mit Liedern gegen den Krieg von Kurt Weill, einem Zyklus in uralter atztekischer Sprache und mit eigens bestellten Auftragswerken in Hamburger Erstaufführungen überrascht.

Mozarts „Abendempfindung – Abend ist’s“ KV 523 und Schuberts „An die Musik“ D 547 zu Beginn gehörten da noch zu den vertrauteren Liedern. Dass sich vor allem Mozart in seinem nachdenklichen Abendlied auch mit dem Tod auseinandersetzte, der seinen Schrecken verliert, wenn man ihn akzeptiert, stimmte auf ein Konzert ein, das sich überwiegend ernsteren Themen zuwenden sollte. Bei den Zeilen „Abend ist’s, die Sonne ist verschwunden und der Mond strahlt Silberglanz“ klang Villazóns Stimme noch belegt, ja in den Höhen zuweilen heiser.

Rolando Villazón – Stimme fehlt Glanz

Überhaupt fehlte dem Sänger, der wie die Programmhefte zur Zeit von einem Ort zum nächsten eilt, ein wenig Glanz in der Stimme. Mit einem bewegenden Ausdruck und einem Kontrastreichtum in der Deklamation machte er das aber rasch wieder wett. Unterstützt wurde er dabei von der exzellenten Klavierbegleiterin Sarah Tysman, die für die ursprünglich eingeplante Carrie-Ann Matheson eingesprungen war.

Bei Mozarts Abendlied und auch bei Schuberts liedhafter Anbetung holder Kunst und Musik setzte sie viele Akzente in Phrasierung, Dynamik und fein eingebauten Verzögerungen. Die ganze Pracht ihrer pianistischen Kunst konnte sie in Strauss’ ausdrucksstarken „Allerseelen“-Lied op. 10/8 zeigen, in dem das Klavier dominierte und Villazón bei einem großen Intervallsprung leichte Schwierigkeiten hatte.

In ein echtes Randrepertoire begaben sich die beiden mit „La vie antérieures“ des Franzosen Henri Duparc und „Damunt des tu només les flors“ des Spaniers Federico Mompou sowie „Copras des Curro Dulce“ von dessen Landsmann Fernando J. Obradors. Schlichte Akkordfolgen eröffneten Duparcs Lied, in dessen Verlauf wieder das Klavier mit großen Erregungsschüben den Verlauf dominierte und nach einem sehr langen Nachspiel zu Mompous schwermütigen Lied überleitete. Sehr spanisch, fast an Fandango erinnernd gestaltete Villazón Obradors Lied, das Theatralische – oder besser: Opernhafte – streiften natürlich auch Verdis „L’esule“ und Bellinis Arietta „Varga Luna che inargenti“. Dass Villazón und Tysman vor der Pause noch Rossinis Mega-Hit „La danza: Tarantella“ anstimmten, weckte echte Begeisterung.

Zum Ende bat der Künstler um Spenden für die Ukraine

Im zweiten Teil sang Villazón einen Zyklus von Weill nach Texten von Walt Whitman über den US-Bürgerkrieg, die der Exilant Weill 1942 nach dem Trauma des Angriffs auf Pearl Harbour vertont hatte. Die vom Sänger bei dem Briten Ian Bell in Auftrag gegebenen Lieder mit dem Titel „Nezahualcoyotl Ixochitlaytol“ schockierten in ihrer freitonalen Harmonik manche, die den Saal frühzeitig verließen.

Bell hatte Texte in atztekischer Sprache vertont, die dem Mexikaner Villazón sehr am Herzen liegt. Zum Ende bat der Künstler um Spenden für die Ukraine: „Wir sind nicht hier, um über Politik zu sprechen. Kunst ist aber auch politisch und Kunst bringt die Menschen zusammen und ist unsere Sprache in aller Welt.“