Hamburg. 22 Songs für 22 Jahre: Eigentlich war der Jubiläumsauftritt schon 2020 und in der Großen Freiheit 36 geplant – doch dann kam Corona.

Es gibt diese Songs, die wie für den Moment geschrieben zu sein scheinen. „Kommt zusammen / Seid ganz bei euch selbst / Fühlt zusammen / Was uns zusammenhält“, singt Inga Humpe zum Auftakt ihres Konzerts mit 2raumwohnung. Und die Menschen in Hamburg genießen sie sichtlich, diese lange vermisste Dynamik des Pop. Versunken in der Menge tanzen. Ganz für sich. Und doch getragen von der Energie des Kollektivs. Verbunden über die Musik, die 2raumwohnung mit wunderbar verspielter Leichtigkeit präsentiert.

„Wir feiern ja eigentlich 20 Jahre 2raumwohnung“, sagt Inga Humpes Partner Tommi Eckart. „Jetzt sind es schon 22 Jahre. Und ich freue mich, dass so viele Freunde da sind.“ Drei Mal ist das Konzert Pandemie-bedingt verlegt worden und zog zudem von der Großen Freiheit 36 in die edel-optics.de Arena um.

Konzert: Ein Hauch von Großraumdisco für die 2raumwohnung

Für viele der 1500 Gäste dürfte es der erste Besuch in der Wilhelmsburger Halle sein. Doch die anfängliche Skepsis, ob der Multifunktionsbau auch Pop-Atmosphäre kann, verflüchtigt sich, als die ersten Takte von 2raumwohnung anklingen. Der Electro-Sound des Duos, das von Gitarrist Heinrich Schiffers verstärkt wird, passt erstaunlich gut in die Halle. Ein Hauch von Großraumdisco liegt in der Luft zu den treibenden Beats von Songs wie „Wir werden sehen“.

Hinter drei T-förmig beleuchteten Tischen stehen die drei an ihren Synthesizern und Geräten. Ein Kraftwerk’sches Arrangement, aber wesentlich partyorientierter. Und im Zentrum die grandiose Inga Humpe. Ganz in Schwarz gekleidet. Mit blond wirbelndem Haar. Hüpfend, tanzend, strahlend. Ein zeitloses Girlie. Und ein Vorbild, wie sich im Pop beherzt und mit Haltung altern lässt. Ihre 66 Jahre sind eine Zahl. Ihr Charisma lässt sich nicht beziffern.

In die DNA von 2raumwohnung gehört Diversität

„Hippies, Ravers, Refugees, Lovers and all Genders, wir brauchen euch für den Frieden auf der Welt“, ruft Inga Humpe und stimmt mit dem leicht melancholischen „Somebody Lonely And Me“ ein Lied „auf die Zuversicht“ an. Auch bei „Ich und Elaine“ zeigt sich die Band solidarisch: „Auf die Freundschaft von russischen und ukrainischen Frauen, denn auf die baue ich“, sagt Inga Humpe diesen Hit an.

2raumwohnung war schon immer eine Band, die das Herz sperrangelweit öffnet. Zu deren DNA die Diversität gehört, bevor das Wort zum gängigen Begriff wurde. Und so feiern im bunt gemischten Publikum zahlreiche entspannt mitgealterte Fans ebenso wie einige Jüngere, die textsicher jede Zeile mitsingen können. Direkt vor der Bühne ist Ausrasten eng an eng angesagt, während sich weiter hinter kleine Tanzzirkel raumgreifender auslassen. Und viele schwelgen und schweben auch einfach für sich, intensiv eingetaucht in die Musik.

Gemeinsam im Chor mit Inga Humpe "La da da da" singen

Dieses Wummern, wann fuhr das zum letzten Mal so schön in die Magengrube? Der Kontrast der dunklen Bässe zu Inga Humpes heller Stimme funktioniert nach wie vor äußerst gut. In „Besser geht’s nicht“ beschwört sie mit ausladenden Gesten „die Magie zwischen uns“ herauf. Und in diesen herausfordernden Zeiten hilft auch einfach mal ein sanftes „La da da da“, gemeinsam mit allen im Chor gesungen.

Mit „Nimm mich mit“, „Wir trafen uns in einem Garten“ und „Sexy Girl“ hat 2raumwohnung einst das Lebensgefühl des brandneuen Millenniums in luftig-lässige Lieder verpackt. Ein Gefühl von Aufbruch. Berlin wurde immer internationaler, war aber noch erschwinglich. Und 2raumwohnung mittendrin. Der freiheitsliebende Wumms von Techno und Loveparade wehte noch aus dem Ende des 20. Jahrhunderts herüber.

22 Songs für 22 Jahre 2raumwohnung

Den unbeschwerten Geist zwischen Mauerfall und 9/11 lassen Humpe und Eckart mit dem Song „1993“ aufleben: „Wir leuchteten in den Ruinen / Die ganze Welt kam angerannt / Everybody was in love“, singt Inga Humpe. Eine Nostalgie, die sich dennoch nicht verstaubt anfühlt. Denn sie lässt sich tanzend in den Augenblick transportieren.

Nach dem Überhit „36 Grad“ wird die Menge als Zugabe mit satt wummernden Remixen von „Wir trafen uns in einem Garten“ und „Kommt zusammen“ noch einmal final euphorisiert. Und ganz zum Schluss gibt es „Liebe ohne Ende“. 22 Songs für 22 Jahre 2raumwohnung. „Danke, das war ein toller Abend mit Euch“, ruft Inga Humpe. Positiv elektrisiert geht es hinaus in die Nacht.