Hamburg. Die Band des US-Saxofonisten gab ein überragendes Konzert in der Laeiszhalle, das viel mehr Publikum verdient gehabt hätte.

Ist das Glas jetzt halbleer? Oder ist es halbvoll? Bevor das Quartett von Saxofonist Branford Marsalis auf die Bühne der Laeiszhalle kommt, könnte man geneigt sein, vor allem auf das zu schauen, was nicht ist, was fehlt, denn im Großen Saal klaffen doch erhebliche Lücken. Doch wie wenig die momentane, Corona bedingte Kartenkaufzurückhaltung mit der musikalischen Qualität korreliert, das zeigen die folgenden knapp 110 Minuten: Was hier geboten wird, das ist schlicht Weltklasse.

Schon bei „Teo“, einer Thelonious-Monk-Nummer, kommt die Bandmaschine richtig ins Rollen, ist eine große Vertrautheit und Lust am Zusammenspiel zu spüren. Da legt sich Schlagzeuger Justin Faulkner dann auch gleich so ins Zeug, dass der erste Schweiß fließt. Und Branford Marsalis, der zwischen Tenor- und Sopransaxofon wechselt, lässt ihm ebenso den Raum für solistische Intermezzi wie Pianist Joey Calderazzo und Bassist Eric Revis.

Riesiger Jubel für Branford Marsalis Quartet in der Laeiszhalle

Natürlich ist Marsalis der Bandleader, aber er ist hier eben auch Gleicher unter Gleichen – und das gibt diesem Quartett seine besondere Klasse. Da passt es, dass einer der ganz großen Höhepunkte mit „Dance Of The Evil Toys“ eine Komposition von Eric Revis ist. Eine Nummer wie ein Vulkanausbruch, explosiv, mitreißend und am Ende doch in ruhige Bahnen laufend. Riesiger Jubel, und eine Band, die sichtlich zufrieden mit diesem Meisterstück ist.

Zwischendurch gibt es Klassiker wie „When I Take My Sugar To Tea“ (einst unter anderem von Nat King Cole gesungen) oder „On The Sunny Side Of The Street“ in frischem Gewand, wobei die Melodie stets der Ausgangspunkt für fesselnde Improvisationen ist. Oder um es mit Branford Marsalis zu sagen: „Ich habe mich auf die Melodien konzentriert und darauf, zur Sache zu kommen.“ Und zur Sache kommen er und seine Mitstreiter an diesem Abend immer wieder. Auch bei der Keith-Jarrett-Komposition „The Windup“ von dessen Album „Belonging“ (1974) – im Original achteinhalb Minuten lang und hier auf ungefähr die doppelte Zeit gestreckt, aber mit seinen vielen rhythmischen Wendungen, für die nicht nur Marsalis zuständig ist, keine Sekunde langweilig.

Auch interessant

Branford Marsalis Quartet: Publikum erklatscht Zugabe

Geradezu lässig gehen die Musiker danach von der Bühne, so als sei das, was sie da gerade abgeliefert haben, das Normalste der Welt. Die etwa 500 Besucherinnen und Besucher in der Laeiszhalle sehen das allerdings ganz anders, springen auf, machen einen Krach, als wären sie dreimal so viele und erklatschen zwei Zugaben: die fast schunkelige Nummer „My Bucket’s Got A Hole In It“, vermutlich aus den frühen 1930ern, und die Ballade „If You Never Come To Me“, die den Puls wieder beruhigt und innerlich durchgewärmt in den nasskalten Hamburger Abend draußen vor der Laeiszhallentür zurückkehren lässt.

Halbleer oder halbvoll? Weder noch. Hier war das Glas bis zum Rand gefüllt.