Hamburg. Die Staatsopern-Inszenierung nach dem gleichnamigen Jugendfilm ist ein mitreißender Erfolg – auch dank eines besonderen Teams.
„Hier sind alle so laaaangweilig!“ stöhnt Elin, eine der Hauptfiguren. Die pubertätsmotzige Schülerin – goldblonde Haare, grellpinkes Kleid – hasst das Leben in der Kleinstadt. Nie was los, immer tote Hose. Jede(r) lästert über jede(n).Wie schwer es ist, in dieser Enge aufzuwachsen, davon erzählt die „Fucking Åmål – Unser kleines Scheißkaff“, nach dem gleichnamigen schwedischen Jugendfilm von 1998. Und das tut sie sehr kurzweilig, mit jener Mischung aus Witz und Melancholie, die schon den Film ausgezeichnet hat.
Dass die Uraufführung auf der Probebühne 1 der Hamburgischen Staatsoper ein so mitreißender Erfolg wird, ist Resultat eines beglückenden Teamworks. Komponist Samuel Penderbayne und Dramaturg Johannes Blum haben die Coming-of-Age-Geschichte über Liebe, Mobbing und ersten Sex gekonnt für das Musiktheater adaptiert. Das Stück bringt alles mit, was das Opernherz begehrt: Packende Konflikte und überraschende Pointen, große Gefühle und süffige Melodien. Penderbayne verzahnt Klassik mit musicalreifen Hits, sparsame Klänge mit fetten Orchestersounds.
„Fucking Åmål“: Premiere in Hamburg ein großer Erfolg
So virtuos wie der Komponist mit Stilen jongliert, so geschickt spielt die Inszenierung – angereichert um Live-Illustrationen von Philipp Kronenberg – mit Andeutungen, Klischees und Ambivalenzen. Zwei runde Bühnen auf der Bühne (David Hohmann) erinnern an Drehscheiben, wie man sie von Spielplätzen kennt. Aber die zu bewegen, ist nicht mehr so leicht wie in Kindertagen. Sie sind vom Erwachsensein beschwert. Von zwei Wohneinheiten, möbliert wie IKEA-Ausstellungsräume; als Abbild eines spießigen Zuhauses, das für junge Menschen kein Zuhause mehr ist.
Am Arsch der Welt herrscht Gleichheitsdruck. Das unterstreicht Kostümbildnerin Lili Wanner, indem sie die Darstellerinnen und Darsteller in unförmig-uniforme Kleider, Hosen und Pullis steckt. Kein Wunder, dass hier niemand glücklich ist. Regisseur Alexander Riemenschneider zeichnet einfühlsame und humorvolle Porträts von Menschen zwischen Resignation und Aufbegehren. Mit acht Solisten, die wunderbar singen, sprechen und spielen.
Premiere in Hamburg ist nahbar und packend
Elins Schwester Jessica (Ida Aldrian) hat sich mit einer freudlosen Zukunft abgefunden. Hubert Kowalczyk gibt ihren Macker Markus als testosteronprallen Teenagerproll. Und Peter Galliard ist der traurige Clown. Als Vater der Außenseiterin Agnes wirkt er mit seinen Versuchen sie aufzuheitern, rührend hilflos. Agnes selbst ist die eigentliche Heldin. Trotz des provinziellen Umfelds spürt sie ihre Liebe zur rebellischen Elin, die sie lange nicht einmal wahrnimmt.
Auch interessant
Auch interessant
Wie Agnes klagt, dass sie sich nicht gesehen fühlt, gehört zu den schönsten Momenten, von Penderbayne ebenso hinreißend komponiert wie von Kady Evanyshyn gesungen. Agnes‘ Zartheit und emotionale Tiefe entpuppen sich als innere Stärke – und berühren nicht nur die umschwärmte Elin (Larissa Wäspy), die sich am Ende zu Agnes bekennt, sondern auch das Publikum.
Bei der Premiere sind das vor allem Erwachsene. Aber die Jugendoper dürfte auch ihre Zielgruppe ansprechen. Nicht zuletzt, weil auf der Bühne viele junge Menschen zu erleben sind. Im Felix Mendelssohn Jugendorchester, das – von sechs Philharmonikern unterstützt – unter Leitung von Ingmar Beck groß aufspielt. Und im aus Schülerinnen und Schülern bestehenden Chor des Young ClassX Ensembles, der präzise agiert und selbst mit Maske sehr gut zu verstehen ist. Diese Wertschätzung für den Text prägt die ganze Aufführung und macht sie besonders nahbar und packend.
Weitere Termine: 25. / 26. / 28. / 29. / 30.1.