Hamburg. Viel Weihnachtliches – aber nicht nur: Sängerin und Franz-Schubert-Chor präsentierten ein berührendes Programm in der Laeiszhalle.

Der Wind zieht ordentlich an der großen funkelnden Tanne vor der Laeiszhalle. Es ist ungemütlich in der Innenstadt an diesem Sonnabend. Doch drinnen im Saal warten Stunden zum Durchatmen. Zum Zuhören. Um mit anderen zu sein. Und doch ganz bei sich. Gemeinsam mit der Sängerin und Liedermacherin Anna Depenbusch und dem Pianisten Horst Liebenau hat der Hamburger Franz-Schubert-Chor zum (nicht nur) weihnachtlichen Konzert geladen. „Liebe, Schnee und stille Nacht“ lautet der Titel des Programms. Es soll ein abwechslungsreicher Abend werden – gewitzt, erbaulich, nachdenklich.

„Es ist wunderbar, hier auf der Bühne zu stehen“, sagt Chorleiterin Christiane Hrasky. Und sehr viel Wärme schwingt in ihrem Willkommen mit, als sie sich direkt an das Publikum wendet: „Danke, dass Sie trotz der Einschränkungen gekommen sind. Und danke, dass Sie Maske tragen.“ Es sind besondere Zeiten. Und ein paar gemeinsame Stunden mit Musik zu erleben, in kollektiver Energie, ist wie ein Geschenk.

Laeiszhalle: Anne Depenbusch und der Franz-Schubert-Chor wärmen Herzen

Erst recht kurz vor Weihnachten. Zumal sowohl auf der Bühne als auch im Saal mehrere Generationen vereint sind. Singend, lauschend, zusammen. Zu Werken von Mendelssohn, Bach und Nordqvist. Zu geistlichen und weltlichen Weihnachtsliedern. Und zu Songs von Anna Depenbusch, die mit leuchtend rotem Kleid samt schwarzem Barett auf dem Kopf ans Mikro tritt.

Die Sängerin ist sichtlich gerührt von der Magie des Augenblicks. Ein ums andere Mal schaut sie mit großen Augen unter die stuckverzierte Decke des Konzerthauses. An diesem Abend gibt Anna Depenbusch ihr Laeiszhallen-Debüt. Vier Mal hatte sie den Solo-Termin zu ihrem aktuellen Album „Echtzeit“ pandemie-bedingt verschieben müssen. Nun sind im August gleich zwei Termine am Johannes-Brahms-Platz angesetzt, um eine große Gala mit musikalischen Gästen zu feiern.

Franz-Schubert-Chor überrascht mit ungewöhnlichen Arrangements

Doch jetzt ist erst einmal Dezember. Und mit dem Chor im Rücken intoniert Anna Depenbusch ihre Ballade „Wieder Winter“. Ein Lied, um Erinnerungen aufsteigen zu lassen. Um das Jahr Revue passieren zu lassen. „Ein Echo, ein Echo“ singt sie immer wieder. Und mit dem vielschichtigen Gesang des Chors hallen ihre Worte gefühlvoll nach.

1946 hat sich der Franz-Schubert-Chor gegründet und zählt aktuell mehr als 80 aktive Sängerinnen und Sänger. Unter der empathischen Leitung von Christiane Hrasky überraschen sie mit ungewöhnlichen Arrangements. Etwa, wenn das „In dulci jubilo“ mit einem pointierten „du-du-du“-Intro beginnt und sich erst nach geraumer Zeit als traditionelles Kirchenlied zu erkennen gibt.

Zettel der Hoffnung aus einem roten Beutel

Die charismatische Chorleiterin entfaltet mit ihrem Klangkörper ein beeindruckendes Spektrum. Mal mischen sich die Stimmen erst sachte miteinander und schwingen sich dann dunkel und hell im Crescendo empor. Mal verschachtelt sich der Gesang spannungsgeladen. Und mal dürfen einzelne Stimmgruppen für sich strahlen, während die anderen die Basis bereiten. Ein respektvolles und schlichtweg schönes Miteinander, das man sich derzeit auch für andere Teile der Gesellschaft herbeisehnt.

In diese Atmosphäre passt es ganz hervorragend, dass zwischen der Musik immer wieder große und kleine Hoffnungen ganz unterschiedlicher Menschen vorgetragen werden – auf Zettelchen herausgezogen aus einem roten Beutel. Martin, 19, wünscht sich ein richtiges Studentenleben. Hanna, 60, freut sich nach ihrer Trennung auf eine fröhliche Zukunft mit Hilfe der Dating-App Tinder. Und Meta, 91, ist einst geflohen und hat gemischte Gefühle gegenüber ihrer alten Heimat.

Zwischen melancholisch und augenzwinkernd, besinnlich und bezaubernd

Wo gehören wir hin? Inwiefern steckt die Herkunft tief in uns? Und wo fühlen wir uns angenommen? Dieses wechselvolle Verhältnis lotet Anna Depenbusch in dem zartbitteren Song „Heimat“ aus, während der Chorgesang sanft auf- und abdriftet. Im Anschluss wiederum erzählt die Sängerin in „Stadt Land Fluss“ mit fliegender Leichtigkeit vom Unterwegssein. Davon, Neues zu entdecken und dabei sich selbst. Solo am Flügel macht Anna Depenbusch dazu luftige Zuggeräusche. Und das Publikum fährt gerne mit ihr mit.

Der Wechsel zwischen melancholisch und augenzwinkernd, zwischen besinnlich und bezaubernd macht den Reiz dieses besonderen Konzertabends aus. Da folgt auf Anna Depenbuschs wunderbar transparentes Lied „Engel“ ein kraftvolles „Hark! The Heralds Angels Sing“. Und befand sich das Publikum eben noch in ihrer chansonesken Liebesstudie „Schönste Melodie“, kann es kurz darauf mit dem Chor durchs „Winter Wonderland“ wandeln. Besonders dynamisch gerät Anna Depenbuschs Song „Alphabet“, in dem sie eine Beziehung durchbuchstabiert. Und in dem der Franz-Schubert-Chor von A bis Z feine Akzente setzt.

Zum Finale singen alle auf der Bühne gemeinsam „Stille Nacht“. „Das ist mein liebstes Weihnachtslied“, erzählt die Sängerin nach dem Konzert. „Ich mag das Introvertierte und Zarte, das trotzdem etwas Festliches in sich birgt.“ Dieses Sentiment überträgt sich eindringlich auf das Publikum. Nach heftigem Jubel und zwei Zugaben werden Künstlerin und Chor in die Nacht entlassen. Der Wind vor der Laeiszhalle weht noch immer. Aber von Innen gewärmt fühlt er sich ein klein bisschen weniger scharf an.