Hamburg. Unter ihrem norwegischen Leiter klingt die NDR Bigband dynamisch noch abgestimmter und in den Klangfarben sehr differenziert.
Julia Hülsmann kennen Jazzfreunde vor
allem als Leiterin ihres Trios oder eines Quartetts, mit großen
Formationen hat die Pianistin in der Vergangenheit selten
gearbeitet. "Es ist mir eine Ehre, mit der NDR Bigband spielen zu
dürfen und für das Ensemble Musik und Arrangements zu schreiben",
sagt sie nach dem Auftaktstück beim ersten von zwei Konzerten im
Rolf-Liebermann-Studio.
"Four Drops Or Rain" heißt die Nummer und
sie ist eigens für dieses Zusammentreffen komponiert worden.
Gefeatured werden darin gleich die beiden anderen Frauen, die an
diesem Abend auch auf der Bühne stehen. Das erste Solo spielt
Sandra Hempel, seit 2018 festes Mitglied der Bigband, und sie singt
dabei die Läufe mit, die sie auf der Gitarre improvisiert.
Es folgt
die Saxofonistin Anna-Lena Schnabel mit einem sehr freien und
mitreißenden Exkurs. Beim ersten Solo von Hülsmann wird deutlich,
dass sie ebenfalls ein großes Faible für dissonante Klänge hat. Sie
spielt leicht neben der Spur, wie man das vom großen Thelonious
Monk kennt und schlägt so eine Brücke von Europa zum
afroamerikanischen Jazz.
Besonders imponieren an
diesem Abend die Saxofonisten
Die Mitglieder der Bigband, geleitet von
ihrem Chef Geir Lysne, haben reichlich Raum, ihr individuelles
Können in diversen Solopassagen zu zeigen. Besonders imponieren an
diesem Abend die Saxofonisten. Gabriel Coburger wie gewohnt mit der
ihm eigenen Rasanz, Fiete Felsch im Stück "Mein Kopf beinah in den
Wolken" diesmal mit romantischen Tönen auf der Klarinette und Luigi
Grosso, seit 2019 Stammmitglied, mit verträumten Klängen auf der
Bassklarinette.
Die Entdeckung des Abends ist der erst 24 Jahre
alte Julius Gawlik, den die Bigband sofort nach dem Studium an der
UdK Berlin in ihre Reihen geholt hat. Er ist der jüngste Musiker,
der jemals eine feste Stelle in der NDR Bigband besetzen durfte und
der sich bei den Auditions gegen 150 nationale und internationale
Mitbewerber durchsetzen konnte.
Gawlik zeigt sein großes
Verständnis für die Meister des amerikanischen Free Jazz mit zwei
expressiven Soli, die ihm viel Beifall des begeisterten Publikums
einbringen. Diese Einzelleistungen sind die Sahnehäubchen auf einem
heißen Jazz-Gebräu, das Geir Lysne und Julia Hülsmann in den
Arrangements kreiert haben.
Die NDR Bigband klingt noch abgestimmter
Unter ihrem norwegischen Leiter klingt
die Bigband dynamisch noch abgestimmter und in den Klangfarben auf
der Palette von dezent bis knallig sehr differenziert. Lysne
versteht es, aus jedem Einzelnen in seinem Ensemble das Beste
herauszuholen. Davon profitieren an diesem Abend auch Julia
Hülsmann und Heinrich Köbberling, der Schlagzeuger in Hülsmanns
Band, den sie mitbringen durfte.
Am Ende des Konzerts wirkt die
Pianistin, Komponistin und Hochschullehrerin sehr glücklich mit dem
künstlerischen Ergebnis. Ihre Kompositionen, für kleine Bands
geschrieben, eignen sich trefflich auch für große Ensembles - wenn
es denn die Klasse der NDR Bigband und ihres künstlerischen Leiters
besitzt.