Hamburg. Das Swedish Radio Symphony Orchestra spielte in Hamburg sowohl in der Laeiszhalle als auch in der Elbphilharmonie.
Wenn ein Orchester schon mal auf Reisen ist, kann es in einer Stadt wie Hamburg ja auch gleich zwei Konzerte mit zwei verschiedenen Programmen in zwei Konzerthäusern geben. Der britische Dirigent Daniel Harding und das von ihm seit 14 Jahren geleitete Swedish Radio Symphony Orchestra haben das getan und ihre Auswahl der Stücke sehr subtil auf die Klangeigenschaften zum einen der Laeiszhalle und dann der Elbphilharmonie ausgerichtet.
In der Tat funktioniert die Akustik der guten alten Laeiszhalle bei Vokalwerken wie Antonin Dvoráks zwischen großem Klang und empfindlichster Zerbrechlichkeit einzelner Abschnitte schwankenden Biblischen Liedern op. 99 für Bariton und Orchester besonders gut. Als Hörer empfindet man auch auf entferntesten Sitzplätzen und in den Rängen eine unmittelbare Nähe zum Sänger.
Bei Dvorák und Brahms, der mit seiner 4. Sinfonie beim Laeiszhallen-Auftritt der Schweden ebenso vertreten war, entfalten sich die sonoren, warm aus der Tiefe sich emporschwingenden Melodiebögen in der Laeiszhalle besonders schön. Gleich in Dvoráks selten zu hörender Konzertouvertüre „Othello“ war man ganz hingerissen vom ersten Bläserakkord und den folgenden Takten, die ein wenig an Wagners „Parsifal“-Klangwelt erinnerten.
Laeiszhalle: Der ganze Zauber von Dvoráks Kunst
Mit einer erregten Klanggeste, die sämtliche Streicherregister von oben bis unten durchwanderte, wurde die innere Zerrissenheit des krankhaft eifersüchtigen Othello nachgezeichnet. Der ganze Zauber von Dvoráks Kunst, außermusikalische Bilder und Emotionen in Klang zu verwandeln, entfaltete sich aber noch direkter in den zehn Biblischen Ländern, die der Bariton Christian Gerhaher in tschechischer Sprache so berührend sang, dass einem unentwegt Schauer über den Rücken liefen.
In manchen Liedern nach biblischen Psalmen wie „Du bist mein Schutz und Schirm“ passte Gerhaher seine Stimmfarbe zuweilen dem Instrumentalklang an, wenn seine letzte Phrase in einen lang ausgehaltenen Flötenton mündete. In „Gott, höre mein Gebet“ begleiteten Streicherrepetitionen, die wie ein Herzklopfen wirkten, Gerhahers Deklamation in teilweise empfindlich hoher Lage.
Eine Schwäche der Elbphilharmonie
Beeindruckend war nicht minder, wie Harding und das Swedish Radio Symphony Orchestra bei Brahms‘ 4. Sinfonie op. 98 jeden Bogen ausformten, kleinste Details voneinander absetzten und die Partitur dieses Werkes wie ein offenes Buch vor den Ohren der Hörerinnen und Hörer aufschlugen. Jede Bläserin und jeder Bläser dieses Orchesters ist ein Solist der Extraklasse, der einzelne Soli selbstbewusst individuell und doch dem Ganzen untergeordnet gestaltet. Nicht ein einziger Makel in der Horngruppe zu Beginn des Andante moderato, nicht ein einziges Klappern bei den Pizzicati der Streicher.
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Herb, ja geradezu harsch ist der Charakter des in den 1930er-Jahren entstandenen Violinkonzerts op. 36 von Arnold Schönberg, das Harding und das Swedish Radio Symphony Orchestra mit der Geigerin Isabelle Faust am Folgetag in der Elbphilharmonie spielten. Faust und Harding waren wild entschlossen, die oft so trockene, aus vielen disparaten Abschnitten scheinbar sprunghaft aneinandergefügten Abschnitte des Werkes vor allem mit dem Herzen zu interpretieren.
Auch bei Gustav Mahlers 4. Sinfonie verzichtete Daniel Harding auf gar zu scharfe Kontraste, wie sie Mahler etwa durch hämisch wirkende Bläsereinwürfe im zweiten Satz zur Störung einer vermeintlichen Idylle einsetzt, und zeichnete mit Inbrunst die großen melodischen Bögen. Erneut zeigte sich beim Sopransolo der überzeugend gestaltenden Johanna Wallroth eine Schwäche der Elbphilharmonie. Obwohl sie schon geschickt an der rechten Seite des Orchesters platziert war, versank ihre Stimme zuweilen und Harding musste oft gegensteuern.