Hamburg. Die auf der Veddel aufgewachsene Derya Yıldırım gab ein Konzert im Knust. Einen Überraschungsgast hatte sie auch auf der Bühne.

Ganz vorn, direkt vor der Bühne, ist die Stimmung nicht ohne Grund besonders ekstatisch. Dort singen und tanzen Familie und Freunde von Derya Yıldırım, blicken mit einer Mischung aus Stolz und Freude hoch zu einer Musikerin, die mit ihrer Grup Şimşek an diesem Abend für 80 Minuten vieles vergessen lässt: die Corona-Gesamtsituation, das Damoklesschwert erneuter Club-Schließungen, das längere Anstehen an diesem nasskalten Abend, weil 2Gplus-Kontrolle und Vor-Ort-Registrierung eben ihre Zeit brauchen.

Doch dann, um kurz nach halb zehn, ist es, als würde im Knust die Sonne aufgehen. Mit einer Stimme, die tiefe Sehnsucht in sich trägt, beginnt Derya Yıldırım zu singen, spielt dazu die Bağlama, eine türkische Langhalslaute, und alles ist gut. Nach eher besinnlichem Einstieg, nimmt das Konzert schnell Fahrt auf, was natürlich auch an der Grup Şimşek liegt, die dem eher traditionellen türkischen Ausgangsmaterial einen rockig-psychedelischen Adrenalinstoß versetzt.

Derya Yıldırım im Knust: Höhepunkt ist „Haydar Haydar“

Wobei Yıldırım ebenfalls immer wieder zur Tempoverschärfung beiträgt. Wie die Finger über die Saiten flitzen, das erzeugt einen unwiderstehlichen Sog, dem Schlagzeugerin Greta Eacott und Gitarrist Antonin Voyant, der außerdem Flöte spielt, eine sichere Basis geben. Stark auch das fein abgestimmte Zusammenspiel mit Axel Olivères an Keyboard und Synthie.

Ein Höhepunkt: der Song „Haydar Haydar“ vom aktuellen Album „Dost 1“, dessen Struktur und Innigkeit an Bhajans, religiöse Lieder im Hinduismus, erinnert – vor der Bühne wird laut mitgesungen, weiter hinten wiegt man sich beseelt im Takt. Und dann wird das ganze endgültig zur Familienangelegenheit: Deryas Schwester kommt auf die Bühne, spielt die Darbuka, eine Bechertrommel, das Ganze mündet in eine euphorische Jamsession. Riesiger Jubel und zwei Zugaben, darunter der mit mehr als zwei Millionen Spotify-Streams größte Hit „Nem Kaldi“. Einfach herzerwärmend.

Noch mehr von Derya Yıldırım gibt es vom Turm der Immanuelkirche auf der Veddel. Dort ist im Dezember statt der üblichen Glockenschläge täglich außer montags jeweils von acht bis 20 Uhr im Viertelstundentakt eine Klanginstallation von ihr zu hören.