Hamburg. „Gazino Altınova“ eröffnet musikalisch-kulinarisch deutsch-türkisches Festival „Nachbarşchaften“. Unterhaltsamer, humorvoller Abend.

Wer einmal in einem türkischen Haushalt eingeladen war, weiß, dass er den Rest des Tages nicht mehr hungrig sein wird: Gemeinsames Essen ist hier sehr wichtig. Und entsprechend wird auch zur Eröffnung des deutschtürkischen Festivals „Nachbarşchaften – Komşuluklar“ im Thalia Gaußstraße erst einmal gegessen.

Für kleines Geld kann man einen Teller mit Meze vorbestellen, Weinblätter, Hummus, Muhammara, noch günstiger gibt es leckere Pide, und auf dem Tisch steht Raki bereit, auf dass man sich stilgerecht auf İdil Üners Liederabend „Gazino Altınova“ einstimme.

„Gazino“ bezeichnet in der Türkei ein Restaurant mit Live-Musik, in Nachbarschaft zum westlichen „Casino“. Einen ganzen Abend lang sitzt man hier, tafelt, redet und beklatscht populäre Sänger. Ganz so lange dauert „Gazino Altınova“ nicht, für eine gute Stunde hat Üner Musik zur Lebensgeschichte Ayla Evens zusammengestellt. Geboren in den 1940ern am Marmarameer, zieht die Protagonistin 1970 mit Mann und Kindern nach Hamburg, wo sie in der Wäscherei des UKE arbeitet.

Theaterkritik: İdil Üners Liederabend „Gazino Altınova" im Thalia Gaußstraße

Eine unspektakuläre Migrationsgeschichte, die Üner, Tilo Werner und Multiinstrumentalistin Ayşe Glass anhand von zeitgenössischer Pop- und Schlagermusik nacherzählen. Also: Auf das arabeske „Diese Nacht ist meine Nacht“ folgt der Nat-Simon-Klassiker „Istanbul (Not Constantinople)“, und über Caterina Valente taucht der Abend in türkischen Postpunk ab, um schließlich in ein obskures Loblied auf das Süßgebäck Halva zu münden: „Lass uns gehen zum Halva-Laden / Lass uns dort in Halva baden.“ Süß.

Musikalisch ist „Gazino Altınova“ also so heterogen wie unterhaltsam, und insbesondere die türkischstämmigen Besucher lassen sich exzessiv von der Stimmung mitreißen. Die Erzählung aber wirkt ein wenig zu schön: Ayla Even lebt, arbeitet und wird irgendwann glücklich alt, voller Neugierde, Lebenslust und Offenheit. Gar keine rassistischen Erfahrungen? Keine Probleme mit Mann, Familie, Geld? Am Ende steht eine Diashow aus dem Leben der Protagonistin, und im letzten Bild sieht man die alte Dame lächelnd an einem Straßenschild in der niedersächsischen Provinz stehen: Frau Even in Evendorf. Ein Witz.

Aber vielleicht funktioniert das Leben ja wirklich mit Witz und Offenheit. Vielleicht braucht es nur gefüllte Weinblätter, gute Musik und mehrere Gläser Raki. Wenn das die Botschaft dieses kurzen, menschenfreundlichen, humorvollen Abends ist: gerne.

„Gazino Altınova“ wieder am 29.10. und 30.11., 20 Uhr, 12.12., 19 Uhr, Thalia Gaußstraße, Gaußstraße 190, Karten unter 32814444, Meze-Vorbestellung unter gazino@thalia-theater.de