Hamburg. Urkomisch: In „Offline för een Avend“ kommt das Premierenpublikum am Ohnsorg-Theater aus dem Lachen gar nicht mehr heraus.

Handys können schnell zum Fluch werden. Wem ist es noch nicht passiert, dass eine SMS den falschen Adressaten erreicht, weil man zu schnell auf „senden“ gedrückt hat?

Auch Carla Walther (Beate Kiupel), Kassiererin im Möbelhaus Ahoy! ist etwas zu flink mit ihren Fingern. Das Video, das sie gerade mit einem Dildo in der Hand auf dem Schreibtisch ihres Chefs gedreht hat, hat sie aus Versehen an eben jenen Jörn Brunkhorst (Erkki Hopf) geschickt, in dessen Büro sie zusammen mit ihrer Kollegin Debbie Voigt (Meike Meiners) durch den Heizungsschacht eingestiegen ist. Ein paar obszöne Beleidigungen enthält das Handy-Filmchen auch, ausreichend für eine weitere Abmahnung – zwei befinden sich bereits in Carlas Personalakte.

„Offline för een Avend“ im Ohnsorg-Theater: Alles dreht sich um ein Handy

In „Offline för een Avend“ von Sönke Andresens dreht sich alles um ein Handy. Und zwar das von Brunkhorst, denn auf dem ist ja die verhängnisvolle Botschaft angekommen. Durch einen Zufall geraten Carla und Debbie in den Besitz des Gerätes, aber ohne PIN zum Entsperren ist es schwierig, das Video zu löschen. Auf das Handy zu treten oder es gegen die Tür zu werfen, verspricht wenig Erfolg.

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Andresen hat nach „Plattdüütsch för Anfängers“ und „De verdüvelte Glückskeks“ bereits das dritte Stück für das Ohnsorg-Theater geschrieben und wieder ist ihm ein großer Wurf gelungen. Virtuos spielt er auf der Klaviatur des Slapstick und stellt jede Menge Fettnäpfe auf, in die seine Figuren mit Karacho hineinspringen. Ein absurder Kracher nach dem anderen wird gezündet und das Premierenpublikum hat an dem Chaos auf der Bühne seine helle Freude.

Oberspielleiter Murat Yeginer hat Andresens Vorlage perfekt genutzt

Dass die Saisoneröffnung so erstklassig gelungen ist, liegt auch an Oberspielleiter Murat Yeginer, der Andresens Vorlage perfekt genutzt hat. Fast zwei Stunden lang (inklusive der obligatorischen Pause) hält Yeginer das Tempo hoch: In Brunkhorsts Büro geht es zu wie im Taubenschlag: Die Tür fliegt auf und wieder erscheint eine Figur, die man nicht erwartet hat und die bei den vielen Vertuschungen alles andere als erwünscht ist. Auch ein Spiegelschrank mit dem Namen „Backbord“ wird als Versteck zum Tummelplatz der Belegschaft. Die Missverständnisse kommen im Minutentakt, immer wieder unterbrochen von „YMCA“, Brunkhorsts schmissigem Klingelton.

Bühnenbild, Kostüme und Ausstattung komplettieren diese perfekte Inszenierung. Beate Zoff hat die Bühne in ein funktionales Büro verwandelt, in dem an jedem Möbelstück die Ahoy!-Preisschilder hängen. Ein Hingucker ist der getöpferte Dildo auf Brunkhorsts Schreibtisch, „ein Erbstück seiner Mutter“, weiß Lone Rasmussen (Nele Larsen), die Urenkelin des dänischen Firmengründers.

Zum ersten Mal ist Nele Larsen dabei

Weil bei Ahoy! das 75. Firmenjubiläum gefeiert wird, hat sie sich in ein opulentes Piratenkostüm geworfen inklusive Dreispitz, Plastiksäbel und Musketierstiefeln. Die meisten Lacher erntet jedoch Horst Walther (Markus Gillich), als er in einem engen gelb-grünen Nixenkostüm in das Büro stolpert. Debbie und Carla sehen in ihren Matrosenanzügen aus, als wären sie auf dem Weg zu einem Faschingsfest, doch der maritime Look gehört zur alltäglichen Arbeitskleidung bei Ahoy!

Die Qualität der Ohnsorg-Inszenierungen basiert seit Jahrzehnten auf den Fähigkeiten der Schauspielerinnen und Schauspieler. Zum ersten Mal ist die junge Nele Larsen dabei. Sie fügt sich als säbelschwingende Verteidigerin ihres geliebten Chefs bestens in das Ensemble ein und trägt maßgeblich zu den Turbulenzen bei. Beate Kiupel und Meike Meiners sind ebenfalls in Hochform, Kiupel agiert resolut und ist wild entschlossen, sich an Brunkhorst für ein Unrecht zu rächen, Meiners handelt vorsichtiger, weil sie an ihren Aufstieg bei Ahoy! denkt: „Küchenplanung im dritten Stock. Champions League!“

Premierenfeier musste corona-bedingt ausfallen

Erkki Hopf ist wohl der größte Komödiant aller Hamburger Bühnen. Sein Brunkhorst ist völlig überfordert: die Firma kurz vor der Pleite, die junge Lone mit Heiratsobsessionen an seinen Fersen, und dann ist auch noch sein Handy weg. Hopf fällt von einem Nervenzusammenbruch in den nächsten, muss auch mal kurz im „Backbord“ verschnaufen, outet sich als schwul und zeigt sich als menschlicher Chef mit ein paar Geheimnissen. Markus Gillich schließlich setzt ebenfalls mit jedem Auftritt Höhepunkte, wenn er auf der Bierflasche Lieder anstimmt oder versucht, seine Ex-Frau Carla zu bezirzen: „Ich stell dir Fallobst vor die Tür ...“

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Die Premierenfeier musste corona-bedingt ausfallen, deshalb nutzte Intendant Michael Lang statt des Foyers die Bühne, um jeden Schauspieler und das gesamte Regie-Team zu loben. 3G (geimpft, genesen oder getestet) gelte derzeit vielerorts, auf der Bühne sei auch 3K möglich: „kämpfen, kuscheln, knutschen!“

Hocherfreut verließ das Premierenpublikum nach diesem urkomischen Abend das Ohnsorg-Theater und wurde am Ausgang mit Eiskrem statt der obligatorischen Würstchen belohnt. Dann durften auch die Handys wieder eingeschaltet werden. Mancher hat vielleicht diese SMS geschickt: „War gerade im Ohnsorg. Total lustiger Abend. Musst du sehen!“

„Offline för een Avend“ Ohnsorg-Theater, weitere Vorstellungen bis 25.9., Karten unter ohnsorg.de und T. 35 08 03 21