Hamburg. Auf seinem Album „Deutscher Oktober“ reimt der Hamburger Gerrit Falius alias Disarstar gegen die Verhältnisse.

Für zwei Leitmotive feiern sich Hip-Hop-Stars am liebsten: ihre Herkunft aus schwierigen Verhältnissen und wie sie es aus denen herausgeschafft haben. Der Hamburger Gerrit Falius alias Disarstar hingegen gehört zu den wenigen Straßenrappern, die Fragen stellen: Warum sind die Verhältnisse überhaupt so, dass es schwierige Lebensumstände gibt?

Warum ist die Schere so groß zwischen Arm und Reich? Auch auf seinem neuen Album „Deutscher Oktober“ beschreibt und hinterfragt er den Kontrast zwischen Steindamm und Elbchaussee: „Dein Chef hat einen Lambo und zahlt dir 8,50, wer ist hier der Gangster?“

Marxistische Dialektik und der Hip-Hop-Mainstream

Disarstar hat seit seinen Teenager­tagen einige Aufenthalte hinter verschlossenen Türen hinter sich. Doch der Mackerstolz darauf, der noch aus seinen ersten Tracks vor zehn Jahren sprach, wurde immer weniger, je mehr Disarstar verpasste Bildung nachholte.

Dabei ist im Hip-Hop-Mainstream mit Disarstars marxistischer Dialektik kein Schnitt zu machen, auch das Feuilleton bevorzugt weniger kontroverse Schlaureimer aus der studentischen Mittelschicht. Di­sarstar weiß das. Ebenso wie er den Widerspruch sieht, als Rap-Proletarier beim Branchengiganten Warner Music unter Vertrag zu stehen.

Sein bestimmt das Bewusstsein

Wenn du umzingelt bist – Attacke! So startet Disarstar „Deutscher Oktober“ gleich mal mit dem Rundumschlag „Intro“: „Der ,SZ‘-Artikel dreht sich um dich, deinem Manager sei Dank, dass du gut dabei wegkommst“ heißt es da, und Disarstar lacht sarkastisch über Mecklenburger Hipster-Hop, Rolex-Poser, die „Fitness-Drinks an dicke Kids“ verkaufen, und die Rap-Elite, die täglich frauenfeindlichen Stoff bei Spotify veröffentlicht. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, „hast du was, dann bist du wer.“

Lesen Sie auch:

„Reeperbahn. 6 Uhr morgens Hausbesuch vom BKA. Obdachlose neben Fußballerfrauen im Range Rover. Und die Bonzenpolitik scheißt auf uns, und Seehofer hab ich nie in meinem Viertel gesehen“, reimt Disarstar über eine „Unterschicht in Sippenhaft“ und ein System, das sich immer weiter perfektioniert beim Erzielen von Renditen auf Kosten anderer. Der Markt regelt das, und er wird wohl auch dafür sorgen, dass Disarstar im Schatten strahlend weißer Bungalows, Benz-Karren und Balenciaga-Pullis verborgen bleibt.

Disarstar: „Deutscher Oktober“ (Warner)