Hamburg. Das Konzert des singenden Komikers im Cruise Inn auf Steinwerder gerät zum Mutmacher. Am Schlagzeug sitzt eine besondere Begleitung.

Er sei ein Auftreter, hat er mal gesagt. Er tritt eben gerne auf. Und singt dann „Fitze-fatze-fitze-fatze, Fitze-fatze-fatze-fitze, Fatze-fatze, fitze-fitze.“ Manchmal auch in der umgekehrten Reihenfolge.

Es ist eines seiner bekannteren Werke. Und auch bei seinem Open-Air-Konzert im Cruise Inn auf Steinwerder bringt Helge Schneider diesen Hit zur Aufführung. Als tonalen Schlussakkord, nach einer 90-minütigen Vorführung, die den Titel tragen könnte: „Herein, wenn’s ein Schneider ist.“

Denn so einen Gastgeber wünscht man sich ja in diesen Monaten. Kariertes Sakko über dem roten Hemd, getönte Sonnenbrille und eine im Grunde überflüssige Perücke auf den ohnehin wild sprießenden langen Haaren. Kurze Begrüßung: „Liebe Leute, das Wetter ist fantastisch, da ist die Bratwurst, und da sind die Fotografen der Zeitschriften ,Haare’ und ,Frösche und Pflanzen’“ 600 Fans sind gekommen. „Die, die nicht gekommen sind, wussten nichts davon.“ Hier in Hamburg. „Eine der schönsten Städte im Umkreis von 100 Metern.“

Helge Schneiders Songs zum Corona-Konterne

Passend zum Corona-Kontern ist gleich sein erster Song aus seinem neuen Album („Mama“): „Heute hab ich gute Laune.“ Da geht es ums Autofahren mit der Liebsten. „Und dann haben wir uns geküsst und anschließend haben wir uns Pommes gekauft.“ Er hat auch einen Internet-Song geschrieben: „Ich setz mein Herz bei ebay rein.“ Da reimt sich „blauer Kamm“ auf „Instagram“ und „Mongolei“ auf „Spotify“. Das reicht allemal für viele Lacher im Publikum.

In „Mama“ singt er davon, dass er in der Schule nicht oft gesehen war. „Rechnen, Schreiben, Lesen war nicht meine Sache, ich fand alles außer Malen irgendwie Kacke.“ Der Auftreter ist nämlich auch ein Abbrecher. Blieb in der neunten Klasse sitzen, hat die Schule ohne Abschluss verlassen, begann eine Lehre als Bauzeichner, arbeitete als Gärtner, Dekorateur, Tierpfleger, Straßenfeger und Polsterer. Nichts war von Dauer.

"O Tannenbaum" auf der Mundharmonika (von Bob Dylan?)

„Ich wollte immer nur Klavier spielen“, hat er mal gesagt. Schon mit fünf Jahren saß Helge an den Tasten. Kam nach einer Sonderbegabtenprüfung auf das Duisburger Konservatorium, brach aber auch das Klavierstudium nach zwei Semestern ab. Wandte sich dem Jazz zu. Ist heute ein lässiger Könner am Flügel und an der Hammondorgel.

In Hamburg spielt er zudem „O Tannenbaum“ auf der Mundharmonika („Die hat mir Bob Dylan geschenkt“) und „Smoke On The Water“ auf der E-Gitarre. Daraus machen manche Kritiker, weil er eben auch noch Vibrafon, Blockflöte oder Trompete spielt, flugs den Multiinstrumentalisten. Was natürlich Quatsch ist. Die Kunst des Helge Schneider besteht nicht darin, viele Instrumente zu beherrschen. Das tut er gar nicht. Er spielt aber viele Instrumente völlig angstfrei. Und da bekommt das Wort Klein-Kunst plötzlich eine weitere Bedeutung.

Helge Schneiders Sohn sitzt am Schlagzeug

Das fröhliche Klimpern wird zu einer augenzwinkernden, eigenständigen Kunstform. „Das kann im Grunde jeder“, will der Künstler sagen. Dazu passt auch Charly. Sein zehnjähriger Sohn – eines von sechs Kindern, die der 65-Jährige mit vier Frauen hat – sitzt am Schlagzeug und trommelt sehr passabel zu Vaters Stücken, auch wenn der Papa an den Tasten stets den Rhythmus bestimmt.

Doch so einfach, dass es jeder kann, ist es eben nicht mit der Kunst. Denn wenn man wie Helge Schneider statt der Perfektion die Improvisation zum wesentlichen Element seiner Auftritte erklärt, bedarf es einer weiteren Zugabe: der kreativen und absoluten Souveränität. Und die, so hat er mal erzählt, hat er sich als junger Mensch in einem Stehcafé in seiner Geburtsstadt Mülheim an der Ruhr angeeignet. Hat stundenlang ältere Männer beobachtet, die trotz ihrer Unzulänglichkeiten immer souverän blieben.

Dreiminütiges Hörspiel über das "Institut Lotusblüte"

Diese „Oppas“ wurden zu Vorbildern. Und aus diesem, seinem „Eduscho-Studium“ rühren wohl auch die zahlreichen, eher sinnfreien Geschichten, die der vielfach preisgekrönte Komiker, Kabarettist, Krimiautor, Schauspieler, Regisseur, Musical- und Drehbuchautor zwischen seinen Songs darbietet.

"Ich hab mal ein Vogelnest bei mir hinterm Haus gefunden. Ohne Vögel, ohne Eier, ohne alles. Das hatte die Form von verschiedenen Gräsern. Da lag es. Unsichtbar, begehbar, ich hab einen Gipsabdruck gemacht, die Fußspuren waren von mir.“ Dann lacht er und freut sich: „Die Geschichte merk ich mir.“

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In diese Kategorie passt auch das dreiminütige Hörspiel „über das Institut Lotusblüte, gegenüber vom China Restaurant Deutsches Haus, direkt an der B 6.“ Live musikalisch untermalt mit einem selbst gebastelten, asiatisch anmutenden Saiteninstrument. Oder die spontane Geschichte über die Geräusche hier mitten im Hamburger Hafen: „Das Brummen, das ihr hört, kommt von einem meiner Containerschiffe, beladen mit Chinakohl und Unterwäsche aus Latex. Ja, ich mach’ jetzt in Schiffen.“

Helge Schneider ist ein Mutmacher

Wer sich fragt, was das soll oder ob der Typ irre ist, hat nicht recht verstanden, dass dieser Schneider auch ein Mutmacher ist. Kind bleiben, Quatsch machen, alles nicht so wichtig nehmen. Ein bisschen wie Pippi Langstrumpf (das passt im Übrigen auch äußerlich ganz gut) leben: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.

Eine gute Möglichkeit allemal, auch die Krisen zu kontern. Die Plastikflut in den Weltmeeren? „Ich hab auch eine Plastikflasche dabei“, erzählt er. „Aber ich lass die nachher hier stehen, damit sie nicht im Ozean landet.“