Hamburg. Das Tallinn Chamber Orchestra und der Estonian Philharmonic Chamber Choir sorgten für kollektive Ergriffenheit im Großen Saal.

„Ich war dabei, als...“ Es gibt diese Konzertmomente, bei denen man sofort weiß, dass man sich noch lange erinnern, anderen noch lange davon erzählen wird. Am Montagabend in der Elbphilharmonie kulminierten gegen 21.30 Uhr die vorangegangenen 90 Minuten in so einen Moment, als Komponist Arvo Pärt (84), ein feingliedriger Mann mit sanftem Blick, sich ein wenig zögerlich von seinem Platz erhob und durch die im Stehen applaudierende Menge auf die Bühne ging.

Zuvor hatten er und die mehr als 2000 Besucher im Großen Saal Weltklasse erlebt: das Tallinn Chamber Orchestra und den Estonian Philharmonic Chamber Choir unter der Leitung von Tõnu Kaljuste mit fünf Pärt-Werken, darunter das legendäre „Te Deum“.

Man möge Husten und Räuspern nach Möglichkeit unterdrücken, war vorab gleich zweimal angesagt worden, und der Appell zahlte sich aus. Aber dass das Publikum sich so diszipliniert zeigte wie selten zuvor in diesem Haus, lag natürlich vor allem an der enormen Intensität der Musik, diesen Glaubensmeditationen, für die es keinen konkreten Glauben braucht, um von ihnen bewegt zu werden.

Momente, die unvergessen bleiben

Das Maß an Spannung, an kollektiver Ergriffenheit, ließ sich am stärksten in den Momenten der Stille spüren, wenn der letzte Ton verklungen war, Musiker und Dirigent in der Bewegung verharrten und die Zeit stehen zu blieben schien. Das „Vater unser“ als Zugabe trieb so manchem die Tränen in die Augen, und die Bescheidenheit, mit der Arvo Pärt währenddessen ganz am Rand des Saales stand, tat ein übrigens, diesen Moment unvergesslich zu machen.

Der erste Konzertabend des „Reflektor“-Festivals, mit dem die Elbphilharmonie noch bis zum 6. Februar den 50. Geburtstag des legendären ECM-Labels von Produzent Manfred Eicher feiert, ging allerdings im Kleinen Saal nahtlos weiter. Eicher, der dieses Festival selbst kuratiert hat und auch anwesend war, hatte dafür das Quartett des französischen Klarinettisten Louis Sclavis nach Hamburg geholt, aktuell gefeiert für sein Album „Characters On A Wall“, das nun also live zu hören war.

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Notierter Jazz, teilweise vom Blatt gespielt, aber mit langen improvisierten Passagen, die Benjamin Moussay (Piano), Sarah Murcia (Bass) und Christophe Lavergne (Schlagzeug) viel Raum gaben. Lyrisch, folkloristisch, dynamisch, getragen von einer enormen Grundspannung: Auch in diesem zweiten Teil des Abends war musikalische Champions League zu bestaunen. Und das, wie zuvor schon bei Pärt, in einem enorm differenzierten, klaren Klangbild, das die hohen ECM-Qualitätsmaßstäbe aus dem Tonstudio perfekt in die Konzertsituation transformierte.

Am Ende, kurz vor 23 Uhr, war klar: Besser als mit einem solchen Doppelprogramm, dem ja noch einige Konzerte folgen, lässt sich ein Jubiläum dieser Größenordnung kaum feiern.