Hamburg. Beim 30. Winterhuder Neujahrsempfang bricht Carsten Brosda eine Lanze für die Komödie. Spötter Spiekermann stichelt gegen Schüler.
2020 – das ist in Hamburg auch Bürgerschaftswahl. Die bewegt auch Politiker. Die saßen in der Vergangenheit – allen voran Helmut und Loki Schmidt, später etwa die Finanzsenatoren Peter Tschentscher und Andreas Dressel (alle SPD) oder Bürgerschafts-Vizepräsident Dietrich Wersich (CDU) – beim Neujahrspunsch in der Komödie Winterhuder Fährhaus gern in der ersten Reihe. Ohne dass sie Reden hielten.
Das taten stattdessen die Theaterchefs Rolf Mares, der den Punsch in Winterhude Silvester 1990 ins Leben gerufen hatte, seine Nachfolger Michael Lang (jetzt Ohnsorg-Intendant) und Britta Duah sowie die satirischen Redner Eberhard Möbius und Gerd Spiekermann. Britta Duah brach nach fast 30 Jahren mit einer Tradition, indem die Komödien-Leiterin Kultursenator Carsten Broda auch als Redner einlud. Der SPD-Politiker hatte Duah 2019 absagen müssen. Jetzt hielt er seine Zusage, obwohl die Komödie Winterhude ihren Neujahrspunsch ausnahmsweise erst am dritten Januar-Sonntag ausschenkte – mit Berlinern satt.
Neujahrspunsch, fast wie „ein Klassentreffen für Privattheater-Leute“
Brosda, laut eigenem Bekunden zuletzt in der Spielzeit 2018/19 Gast im großen Saal und zuvor gern Besucher des früheren Theaters Kontraste (kleiner Saal), nutzte den Raum, um in einer frei gehaltenen Rede für den Bühnenbesuch zu werben. „Es gibt kaum eine Zeit, die so geeignet ist, ins Theater zu gehen wie jetzt“, sagte er. Speziell mit dem Genre Komödie: „Lachen Sie auch gegen die allgemein schlechte Laune an – es hilft“, appellierte Brosda an die 400 geladenen Gäste und brach eine Lanze für eine komische Themenvielfalt, die ja oft auch aus dem Alltag komme.
Der Senator, der nach einem Handbruch rechts einen roten Gips trägt, war direkt von der Eröffnung der Lessingtage im Thalia Theater gekommen. „Das ist hier ist ein bisschen wie ein Klassentreffen für die Privattheater-Leute“, sagte er treffend.
Fridays for Future als Klimawandel-Opfer, „das ist zu billig“
Manche Winterhuder Besucher, darunter außer Lang die Theaterleiter Nils Loenicker (Alma Hoppe) vom benachbarten Eppendorfer Lustspielhaus, Tessa Aust und Hannes Vater (Schmidts Tivoli GmbH), Schauspieler wie Meike Harten, Claudia Rieschel, Hans Peter Korff und Christiane Leuchtmann, die Satiriker Michael Ehnert und Hans Scheibner, hatten an Brosdas Rede mehr Spaß als an Gerd Spiekermanns Jahresrückblick.
Der frühere NDR-Mann schlug einen sehr weiten Bogen, griff noch mal die Rolling-Stones-Freikartenaffäre und Nachwirkungen des G-20-Gipfels auf, zielte auch auf die „Fridays for Future“-Bewegung ab („Sich als erste Opfer-Generation des Klimawandels zu präsentieren, das ist mir zu billig“) und kürte schließlich Marco Maurer zum „peinlichsten Hamburger des Jahres“: Der Autor der „Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag“ hatte dort und auch in einem folgenden Abendblatt-Interview mit seiner Wahlheimat („Hamburg ist eitel, hässlich und unsinnlich“) abgerechnet.
Wie 1990: Walter Plathe interpretiert Otto Reutter
Die Zahlen indes, die Britta Duah für die Komödie Winterhude präsentierte, verheißen in der laufenden Spielzeit sehr Positives. Martin Woelffers Bühnenfassung von „Willkommen bei der Hartmanns“ und Christian Bergs Weihnachtsmärchen seien „wochenlang ausverkauft“ gewesen, so Duah. Und die Auslastung für „Monsieur Pierre geht online“ (läuft noch bis 23. Februar) liege schon jetzt bei gut 80 Prozent.
Das Ensemble des aktuellen Stücks war am Sonntagmittag zum Neujahrspunsch komplett erschienen. Und Hauptdarsteller Walter Plathe erwies sich einmal mehr als passender Interpret des Berliner Komikers Otto Reutter: „Nehm’ Sie’n Alten“ sang er in einem von drei Couplets. Wie übrigens bereits 1990 beim ersten Silvesterpunsch ...