Hamburg. Das Orchestre philharmonique de Strasbourg feiert sein Debüt im Großen Saal. Der Moderator sorgt mit einem Insiderwitz für Heiterkeit.
Europa ist wirklich ein erstaunliches Gebilde. Seit vor bald drei Jahren die Elbphilharmonie ihre Saaltüren öffnete, kommen aus allen Winkeln des Kontinents gestandene Sinfonieorchester, deren Namen der geneigte Hörer vorher eher nicht auf dem Schirm hatte. Das jüngste Debüt im Großen Saal hat das Orchestre philharmonique de Strasbourg gegeben.
Der Moderator Michael Becker führte gewohnt launig durch den Abend, ohne die Anwesenden mit allzu viel Wissen zu beschweren, und machte auf offener Bühne einen Insiderwitz: Bei der Uraufführung von Gershwins „Rhapsody in Blue“ sei in dem New Yorker Saal die Klimaanlage ausgefallen – „das würde heute nie passieren“. Wer an dieser Stelle kicherte, war offenkundig dabei, als im vergangenen Juni die Klimaanlage im Großen Saal ein ebenfalls von Becker moderiertes Konzert geräuschvoll untermalte.
Erlesene Unterhaltung in der Elbphilharmonie
Der Mann versteht es, die Besucher mit leichter Hand zum Zuhören zu bringen. Das Programm tat an diesem Abend das Seinige dazu; das französische Orchester führte an ihm eine Kunst vor, die es im protestantischen Norddeutschland immer noch schwer hat: die der erlesenen Unterhaltung.
Gleichsam im Plauderton lotste der Chefdirigent Marko Letonja die Beteiligten durch Georges Bizets „Carmen-Suite“ Nr. 1. Kino im Kopf war das. Die Melodien beschworen zuverlässig die dazugehörigen Szenen, man sah förmlich Flamencoröcke und Schmuggler-Schlapphüte vor sich. Letonja polierte die Motive dynamisch und klangfarblich auf Hochglanz, man hätte jedes einzelne in eine Vitrine stellen können.
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Nach der Pause: Ravel, Ravel, Ravel
Den Klavierpart in der „Rhapsody in Blue“ übernahm Francesco Tristano, ein denkbar berufener Interpret für dieses Werk, das so fröhlich zwischen Klassik und Jazz wandelt. Denn Tristano ist bekannt dafür, einfach alles zu spielen, was ihm unter die Finger oder in den Kopf kommt. Genregrenzen kennt er nicht. Er hatte es im kleinen Finger, wie lange er sich auf einer schrägen Betonung aalen durfte, machte Kammermusik mit dem Orchester und ließ die Dreiklangsbrechungen mozartfein perlen.
Und nach der Pause: Ravel, Ravel, Ravel. In „Daphnis et Chloé“ belauschten die Holzbläser hinreißend diskret das Liebesspiel des mythischen Paars, in „Pavane pour une infante défunte“ sang das erste Horn eine schmelzende Kantilene, und mit einem knackig artikulierten „Boléro“ ging das Konzert effektvoll in die Schlusskurve. Riesiger Jubel.
Hat hier jemand Tiefgang vermisst? Ach, Frankreich, du hast es besser.