Hamburg. Die US-amerikanische Jazz- und Soulsängerin riss das Publikum im Großen Saal der Elbphilharmonie erst spät mit.

„Eine Gospelkirche wird das hier nicht mehr“, raunt eine Zuschauerin im Block C der Elbphilharmonie. Sie gehört zu den wenigen, die mitsingen und den Rhythmus trommeln, während unten auf der Bühne Dee Dee Bridgewater und The Memphis Soulphony Carla Thomas’ Hit „Baby“ spielen und eine Energie entfachen, wie man sie aus den Gottesdiensten vieler Kirchen im Süden der USA kennt. Doch auch nach einer Stunde ist der Funke nicht wirklich übergesprungen: Das Publikum hört der afroamerikanischen Soul- und Jazzsängerin zwar brav zu, geht aber nicht so recht mit.

„Wer war schon mal in Memphis?“ fragt sie, doch nur etwa zehn Arme gehen im ausverkauften Großen Saal hoch. Die Stadt am Mississippi ist Thema des Abends. Dort wurde Denise Garrett, so Bridgewaters Mädchenname, 1950 geboren und dort wurde sie musikalisch sozialisiert.

In dem zweistündigen Konzert spielt sie bis auf die Zugabe – „Purple Rain“ von Prince – nur Songs von Künstlern, die aus der Stadt in Tennessee stammen, die in den 50er- und 60er-Jahren eine Hochburg der populären Musik war. In den Sun Studios, in denen Elvis Presley aufnahm, explodierte der Rock ’n’ Roll, bei Stax wurde der Southern Soul von Musikern wie Rufus Thomas, Otis Redding und anderen kreiert. Reddings „Try A Little Tenderness“ interpretiert Bridgewater ebenso wie „I Can’t Get Next To You“ von Al Green und „I Can’t Stand The Rain“, mit dem Tina Turner einen Hit hatte und das vom Publikum laut beklatscht wird.

Dass Bridgewaters Auftritt trotz aller stimmlichen Qualitäten kein Konzert der Sonderklasse wird, liegt an den ausführlichen Moderationen der Sängerin, die oft zu wenig pointiert und vor allem viel zu lang sind. Sie braucht zum Beispiel etwa zehn Minuten für eine verschlungene Anekdote über ihre erste Liebe während der Schulzeit, bevor sie die Ballade „Yes, I’m Ready“ anstimmt. Andere Erzählungen über den schwarzen Radiosender WDIA oder die Bürgerrechtsbewegung sind spannender, weil Bridgewater über afroamerikanische Geschichte referiert. Nur zwölf Songs schafft sie bei diesem „Gesprächskonzert“ in 120 Minuten. Alle stammen vom Album „Memphis ... Yes I’m Ready“, das vor zwei Jahren erschienen ist.

Am Ende wird sie vom Publikum doch noch gefeiert, weil Dee Dee Bridgewater für das Finale mit B. B. Kings „The Thrill Is Gone“ und „Shake Your Moneymaker“ zwei Nummern wählt, bei denen ihre siebenköpfige Band mitreißende Grooves abliefern kann. Und mit „Purple Rain“ als allerletztem Song bekommt ohnehin (fast) jeder Künstler das Publikum auf seine Seite.