Hamburg. In den Kammerspielen feierte Jan-Christof Scheibes „Coachical“ Uraufführung. Ein Investmentbanker wird zum Fall-Beispiel.

Als Zuschauer nimmt man von einem Theaterabend ja gern etwas mit. Insbesondere wenn dieser Workshop-Charakter hat. Die Besucher von „Glücklich in 90 Minuten“ bekamen nach der Uraufführung gelbe Tüten mit der Aufschrift „Glück.Macht.Sinn.“ Darin enthalten: ein Glas „Glück“-Marmelade, ein Schoko-Glücksbringer, ein ausgefüllter Lottoschein (für 1,70 Euro), Programm-Informationen des Hamburger Autors Jan-Christof Scheibe und Info-Broschüren des Instituts für persönliche Bildung.

Mit dem sind die Hamburger Kammerspiele eine neuartige Zusammenarbeit eingegangen – ein Privattheater und auch der Autor müssen ja sehen, wo sie bleiben. Aber Stress? Muss nicht sein.

Investmentbanker wird zum Fall-Beispiel

Meint auch Coach David Lautenschläger (Tim Grobe), der die Besucher mit der Frage „Was wollen Sie vom Leben?“, sogleich miteinbezieht. Der Vortrag des Coachs hat noch gar nicht richtig begonnen, da klingelt in Reihe 5 ein Handy eines Geschäftsmannes. Dieser laut telefonierende Carl-Christian Blau stört nicht nur den Workshop, er wird flugs selbst zum Fall-Beispiel dieser Revue zum Thema „Glück“ respektive Unglücklichsein.

Phrasen wie „Kick-off-Meeting“ oder „Job-Cut“

Schnell erhalten die Zuschauer in kurzen Szenen Einblicke in das berufliche und private Leben des Investmentbankers Blau. Mario Ramos überzeichnet ihn schön als gestressten, teils hyperaktiven Typen, der mit englischen Phrasen wie „Kick-off-Meeting“, „Job-Cut“ oder „Very Worst Case“ weniger Probleme hat, als die Namen seiner Tochter (Laura) und die seiner Geliebten (Lara) – beide im gleichen Alter – auseinanderzuhalten.

Auch den Spagat zwischen Wasserspender und mehreren Telefonen rund um seinen Schreibtisch im gestylten Büro, vielmehr „Office“, bekommt er nicht hin. Dabei soll Blau doch nach „Beijing“ (Peking) fliegen, um dort einen Mega-Deal abzuschließen.

Eine spontan auftretende Zwangsneurose verhindert, dass er durch die Tür treten kann – Blau ist in seinem Büro regelrecht gefangen. Als Burn-out-Gefährdeter und Scheidungs-Opfer droht er komplett zu scheitern.

Genüsslich, fast selbstherrlich erläutert Tim Grobe als Coach in der Kulisse von Johannes Fischer (Bühne und Kostüme) zwischendurch immer wieder, was in solch einem Männerleben alles falschlaufen kann. Dazu kommen neun von Scheibe für das Stück geschriebene Songs, wie „Puls der Zeit“, „Markt“ oder „Angst“, die fein zwischen Funk, Pop und Jazz changieren.

Wechselspiel aus Vortrag, Szenen und Liedern

Der gesangsstarke Grobe wirkt in diesem „Coachical“, wie Scheibe das Genre nennt, ein wenig unterfordert. Dagegen hat sich Scheibe als Autor mit „Glücklich in 90 Minuten“ viel, fast zu viel aufgeladen. Und Regisseur Georg Münzel hätte beim Wechselspiel zwischen Vortrag, Szenen und Liedern noch etwas mehr Mut zum Straffen oder sogar Streichen haben müssen.

So wirken Szenen wie die mit Lisa Ursula Tschanz als Büro-Maus oder auch als pakistanischer -Putzmann verzichtbar. Auch wenn die Schauspielerin als Sekretärin und Fahrrad-Kurier komödiantisch überzeugt, ebenso Madeleine Lauw darstellerisch als Lara und Laura. Immerhin ergibt sich zwischen Coach und Business-Mann Blau noch eine recht überraschende Beziehung.

Zum tiefgründigen Stück fehlt „Glücklich in 90 Minuten“ dramaturgisch einiges, es bleibt eine Revue über Sinn und Unsinn des Lebens. In jedem Fall musikalischer als ein Workshop.

„Glücklich in 90 Minuten“ wieder Mo 30.9./Di 1.10., 20.00, bis 6.11., Kammerspiele, Hartungstr. 9, Karten zu 19,- bis 44,-: T. 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de