Hamburg. Der polnische Star-Tenor und die russische Sopranistin geben im Großen Saal eine umjubelte Gala mit berühmten Arien und Duetten.
Der Begriff „Operngala“ trifft es meist nicht so ganz. Wenn Sängerinnen und Sänger ein Best of ihrer Sahnestücke präsentieren, geht es ja weniger ums große Musiktheaterkino, sondern vor allem um die Lust an der schönen Melodie und am vokalen Glanz.
Aber auch das hat seinen Reiz, wenn Spitzengoldkehlen wie Olga Peretyatko und Piotr Beczala um die Wette trällern. Die russische Sopranistin und der polnische Tenor waren mit der Nordwestdeutschen Philharmonie unter Sesto Quatrini im Großen Saal der Elbphilharmonie zu Gast und durchstreiften ein halbbunt gemischtes Programm mit Arien und Duetten aus dem italienischen und französischen Repertoire.
Beczala verströmte Strahlkraft und Schmelz
Beide machten schnell klar, wofür und warum sie an den wichtigsten Opernhäusern der Welt gefeiert werden. Erstmal schonen und Kräfte sparen? Nee, das ist was für Anfänger. Mit dem gesunden Selbstbewusstsein eines Tenors, der sich auf seine Technik und sein Volumen blind verlassen kann, verströmte Beczala gleich in der ersten Arie „Quando le sere al placido“ aus Verdis Luisa Miller reichlich Strahlkraft und Schmelz. Mit einem edlen, auch in hoher Lage und beim Forte immer geschmeidigen Timbre, wie es nur wenigen Sängern zu Gebote steht.
Olga Peretyatko – in Hamburg noch aus ihrer Zeit am hiesigen Opernstudio bekannt – lieferte wenig später mit einer Arie aus Donizettis Lucia di Lammermoor ein Musterbeispiel allerfeinster Belcanto-Kunst. Dort ließ sie die weiten Linien leuchten und zwitscherte und girrte die Verzierungen virtuos.
Olga Peretyatko zeigte glamouröse Aura einer echten Diva
Die Sopranistin verband die traumwandlerische Sicherheit einer menschlichen Nachtigall mit der Bühnenpräsenz und der glamourösen Aura einer echten Diva, sie warf Kusshände ins Publikum und wechselte mit den Stilen und Sprachen auch ihre Garderobe. Offenbachs berühmte Antonia-Arie sang sie in einem christbaumkugelroten Kleid und mit süßem Ton. Peretyatko weiß, wie es geht.
Piotr Beczala, ganz klassisch im Frack, staubte allerdings noch ein paar Dezibel mehr Jubel ab, wenn er als Bizets Don José die Schönheit von Carmen beschwärmte. Aber das schadete nicht. Auch als Team waren die Stars stark; sie umschmachteten die Liebe zwischen Alfredo und Violetta in Verdis La Traviata, schworen bei Donizetti ewige Treue und feierten die Liebe von Romeo und Julia.
Beczala und Peretyatko füllten den Raum mühelos
Ein Stimmenfest der Luxusklasse. Beczala und Peretyatko füllten den Raum mühelos, selbst im Pianissimo. Allerdings ist die Musik natürlich auch sehr sängerfreundlich komponiert, Sesto Quatrini und das Orchester begleiteten sensibel. Die Nordwestdeutsche Philharmonie erreichte nicht das Topniveau der Solisten, punktete aber mit einigen zauberhaften Bläsersoli, etwa in der Klarinette, und versprühte in schmissigen Momenten mitreißende Spielfreude. Der Can-Can aus Offenbachs Orpheus-Ouvertüre war ein echter Knaller.
Dass so ein Partylaune-Stück zwischen sanften Liebesschwüren fremdkörpert, gehört zu den Nachteilen eines kleinteiligen Mixprogramms. Ein echter Spannungsbogen kann da kaum entstehen, zumal wenn der häppchenhafte Charakter noch vom ständigen Rein und Raus des Auf- und Abgehens unterstrichen wird. Das nervte ein wenig – war aber am Ende längst wieder vergessen, als Beczala und Peretyatko mit Zugaben wie Verdis „Libiamo“ und Lehárs „Lippen schweigen“ die Ohrwurmkarte zogen und dazu eine flotte Walzersohle aufs Parkett legten, wie es sich für eine echte Gala gehört.