Hamburg. In Altona feierte “Der Barbier von Sevilla“ im Allee Theater Premiere. Die Melodien wurden klangschön ausgekostet.

Die konzertante Oper erlebt in Hamburg derzeit einen kleinen
Höhenflug. Dank einiger Highlights in der Elbphilharmonie, aber
auch durch das Allee Theater. Nach dem Erfolg von Mozarts „La
Clemenza di Tito“ in der vergangenen Saison präsentiert das Haus an
der Max-Brauer-Allee jetzt Rossinis Schlager „Der Barbier von
Sevilla
“ und beschert den Besuchern damit einen musikalisch
hochklassigen, teilweise beglückenden Abend.

Mit dem hellwachen
Symphonieorchester der Hochschule im Rücken – konzentriert geführt
und angespornt vom Dirigenten Ulrich Windfuhr – standen da sechs
Solisten zum Greifen nah vorn an der Bühnenkante und sangen
überwiegend zauberhaft. Klangschön kosteten sie Rossinis Melodien
aus, die der Komponist wie aus einem Füllhorn über seine Hörer
ausschüttet – servierten aber auch das für ihn so typische
Silbengeprickel souverän, mit dem er seine Musik durchquirlt und
den Sängerinnen und Sängern eine virtuose Lippengymnastik
verordnet.

Ein Augenaufschlag, der weiche Knie macht

Die ersten Bravo-Rufe gab’s gleich nach der berühmten
Antrittsarie des Figaro. („Figaro, Figaro, Fiiiigaro!“) Der
29-jährige Bariton Hussain Atfah – 2015 vor dem Krieg in seiner
syrischen Heimat nach Norddeutschland geflohen – begeisterte mit
Strahlkraft und glänzender Höhe, deutete aber auch den gewitzten
Charme an, der zu dieser Rolle gehört, jedenfalls so weit es im
konzertanten Setting hinter einem Notenständer möglich und
angemessen ist.

Für die ursprünglich als Mezzo angelegte Partie der
Rosina hatte Intendant Marius Adam, wie schon zu Rossinis Zeit
üblich, eine Sopranistin engagiert und auch da einen Volltreffer
gelandet: Die junge Australierin Claire Austin verzückte mit
leuchtenden Spitzentönen, sicheren Koloraturen und einem
Augenaufschlag, der nicht nur dem Grafen Almaviva weiche Knie
machte.

Spanischer Tenor zunächst etwas blass und wackelig

Dass Joan Ribalta als eben jener Graf zu Beginn noch eine
Spur blass und etwas wacklig wirkte, hatte jedoch nichts mit seinen
amourösen Avancen zu tun. Der spanische Tenor war nur auf den
allerletzten Drücker für die Aufführung fit geworden und musste
seine Kräfte deshalb zunächst etwas schonen, bevor er sein helles
Timbre nach der Pause selbstbewusster und mit dem gewohnten Glanz
strömen lassen konnte.

Richtig stark: Junggeun Choi mit
kernig-kraftvollem Bariton als Rosinas eifersüchtiger Vormund Don
Bartolo und Joshua Morris mit sattem Bass in der Doppelfunktion als
Don Basilio und Fiorello. Selbst die wenig dankbare Nebenrolle der
Haushälterin Berta ist mit Dorothee Bienert exzellent besetzt.

Etwas altbackener Humor, dennoch gelungen

Natürlich vermisste man bei Rossinis Ränkespiel mitunter den
spritzigen Regie-Witz, den viele der szenischen Produktionen am
Allee-Theater versprühen, zumal Moderator Lutz Hoffmann die
Handlung diesmal nicht so griffig zusammenfasste wie noch bei
Mozarts Titus und sich in einem etwas altbackenen Humor gefiel.
Trotzdem: eine sehr gelungene Koproduktion der Kammeroper mit der
Hamburger Hochschule, deren sängerisches Niveau auch den Vergleich
mit größeren Häusern nicht scheuen muss.