Hamburg. Lukas Nimschecks Musical-Comedy ist hitverdächtig. Es geht um den Kinderwunsch zweier gleichgeschlechtlicher Paare.
Zu Beginn ist es fast staatstragend: Da läuft via Lautsprecher die Original-Meldung aus der „Tagesschau“ vom 30. Juni 2017, wonach der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit die sogenannte Ehe für alle beschlossen hat. Damit dürfen gleichgeschlechtliche Paare künftig genauso heiraten und Kinder haben wie ein Paar von Mann und Frau.
Was das in der Praxis bedeutet, steht auf einem anderen Blatt – oder eben auf der Bühne des Schmidtchens.
„Wir“, die bei der Uraufführung von den Gästen frenetisch gefeierte musikalische Komödie von Franziska Kuropka und Lukas Nimscheck, dreht sich genau darum, wie gleichgeschlechtliche Paare ihren Kinderwunsch erfüllen zu versuchen. Das alles garniert mit viel Herz, auch mal Schmerz, frecher Schnauze, Klischees und Kalauern sowie einigen potenziellen Hits.
Die beiden verheirateten homosexuellen Paare Christian (Janko Danailow) und Magnus (Veit Schäfermeier) sowie Sabine (Stefanie Irmen) und Natalie (Charlotte Heinke) sind arg verzweifelt, als sie im Begegnungszentrum für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender aufeinandertreffen. Ob Samenspende, Leihmutterschaft oder sogar Auslandsadoption – nichts davon hat ge-, respektive befruchtet. Doch im Zentrum entsteht die Idee, zu viert eine Familie zu gründen. Unverhofft, beinahe wie im Rausch, klappt es dann doch noch mit dem Nachwuchs.
Nimscheck gibt gelungenes Regie-Debüt ab
Was völlig absurd klingt, erfüllen die vier überzeugenden Darsteller mit immer mehr Leben. Unterstützt in Nebenrollen von Top-Komödiantin Kathi Damerow und Charakterkopf Robin Brosch. Damerow, seit 15 Jahren die kultige Service-Kraft Margot im Musical „Heiße Ecke“ (Schmidts Tivoli), setzt als beste Freundin des schwulen Paares und kinderlose Gynäkologin Kerstin Kaiser wie Brosch als potenter und esoterischer Beratungszentrums-Leiter Norman die komischen Hetero-Höhepunkte. Daneben steht Brosch in seiner weiteren Rolle als Magnus’ Vater, ein Steuerberater, für die spießbürgerliche Doppelmoral.
Die Autoren Kuropka und Nimscheck haben nicht nur der lesbisch-schwulen Community, sondern auch dem Volk aufs Maul geschaut. Und Nimscheck, Sänger des populären Hip-Hop-Trios Deine Freunde, liefert mit „Wir“ ein über weite Strecken temporeiches und gelungenes Regie-Debüt ab. An „Wir“ haben auch von quengelnden Kindern geplagte Normalo-Eltern ihren Spaß. Und bei der Musik, überwiegend Synthie-Pop sowie einige Balladen, entpuppt sich die sauber durchchoreografierte Dance-Beat-Nummer „Bitterfeld“ in Hamburg als extrem hitverdächtig. str