Hamburg. „Zehn Meter in den Wilden Westen“ mit Dasniya Sommer und Solène Garnier ist ein durchgeknalltes, wildes Theaterspektakel.

Eine Geschichte übers Geschichtenerzählen: Schriftstellerin Christina Johnsson (Regisseur Dennis Seidel) sitzt in Hamburg und schreibt einen Western. Und verliert nach und nach den Kontakt zur Realität: „Manchmal fühle ich mich, als würde ich selbst in meine Geschichte hineingezogen.“ Also landet Johnsson im Wilden Westen, in Dawson’s Creek, einer ausschließlich von Frauen bewohnten Stadt.

Frauen, denen die Röcke kurz sitzen, die Ausschnitte tief und die Colts locker. Unter ihnen: Jolene Evans (Dasniya Sommer), die in Wahrheit die Schwester der Schriftstellerin ist. Was schon kompliziert genug ist, zumal Bösewichtin Tatjana Thorns (Solène Garnier) bald darauf ein Massaker unter den Beteiligten anrichtet, woraufhin weitere Schwestern die Getöteten ersetzen …

Wer versucht, der Handlung von „Zehn Meter in den Wilden Westen“ auf Kampnagel zu folgen, gerät in Teufels Küche. Ständig wird jemand erschossen, ständig taucht jemand Neues auf, ständig werden Koalitionen gewechselt und dann auch noch: „Die Toten erwachen wieder zum ­Leben!“

Das Stück also ist gleichzeitig großes Durcheinander wie begeistertes Ausnutzen der Möglichkeiten des Theaters, mit einem sich unablässig drehenden Laufsteg (Bühne: Manuel Gerst), mit dunklen Electropop-Songs von Fee Kürten, die bis zu ihrem Ableben auch noch eine reizvolle Bardame abgibt.

Ein großer Spaß zwischen Trash und Traum.

Ein wenig macht der Abend den Eindruck eines fiebrigen Western-Traumes: Seidel hat ein Stück inszeniert, das seinen Reiz aus der Freude an wilden Schießereien und Kunstblut-Orgien zieht. Und aus der Freude am Dekolleté schöner Schauspielerinnen – das Stück bricht nur deswegen nicht irgendwann unter seinem Voyeurismus zusammen, weil Seidel sich selbst als Christina in eine Frauenrolle versetzt und so den Sexismusvorwurf aushebelt. Bleibt: ein großer Spaß zwischen Trash und Traum.

Ach so: Seidel ist langjähriges Mitglied der inklusiven Theatergruppe Meine Damen und Herren, „Zehn Meter in den Wilden Westen“ ist eine Zusammenarbeit von behinderten und nicht ,behinderten Künstlern. Wichtig ist, dass im Unterschied zum üblichen inklusiven Theater hier auch der Regisseur eine Behinderung hat. Ansonsten ist der Abend vor allem: tolles, wirres, durchgedrehtes Theater, über das man besser nicht allzu lange nachdenken sollte.

„Zehn Meter in den Wilden Westen“ wieder Sa 2. 2., 20.00, So 3.2., 18.00, Kampnagel k1, Jarrestraße 20, Tickets unter T. 27 09 49 49, weitere Infos: www.kampnagel.de