Hamburg. Bei der „singenden Föhnwelle“ wissen Fans, was sie bekommen und sind glücklich. Manche nehmen sogar ein Stück Brusthaar mit nach Hause.
Dieter Thomas Kuhn gibt keine Konzerte, „die singende Föhnwelle“ gibt Partys – und das Feiervolk weiß, sich darauf einzustellen. Das Gros der rund 10.000 Fans am Freitagabend auf dem Großmarkt hat sich partymäßig zurechtgemacht, um Kuhn und Band bei der Hamburg-Station der „Hello Again! Viel zu lang war die Zeit“-Tour zu erleben.
Schlaghose und Plateauschuh gehören bei diesem Open Air zum Basisequipment. Wer in dröger Jeans und schlichtem Shirt erscheint, ist mindestens auffällig, vielleicht sogar ein Langweiler.
Dieter Thomas Kuhn: Knallerhits beim Großmarkt Open Air
Fremde oder Freunde? Letzteres. Dieter Thomas Kuhn – in einen glitzernden, rosenübersäten Nadelstreifenanzug gekleidet – und „Kapelle“ kennen ihr Publikum genau und wissen, was zündet. Beziehungsweise: Die acht Musiker auf dem Großmarkt Open Air sind keine herkömmliche Band, die für eine optimale Setlist komplizierte Überlegungen anstellen muss, um Charterfolge, Lieblingssongs der Fans der ersten Stunde und weniger bekannte Titel optimal zu kombinieren.
Bei Dieter Thomas Kuhn ist einfach jeder Song ein Knaller: „Michaela“, „Über den Wolken“, „Griechischer Wein“ – Hossa! Alles auf Disco. Das ist Musik zum Tanzen, Schunkeln, Mitgrölen und Sonnenblumenschwenken. Ja, auch die hat der gemeine Dieter-Thomas-Kuhn-Fan ganz selbstverständlich im Gepäck.
Überhaupt erweist sich das Konzert als recht vorhersehbar: Die Dramaturgie des Abends ist bekannt, die Frotzeleien auf der Bühne sind es auch – und die Songtexte hat hier ohnehin jede und jeder drauf. „Alles, was wir hier heute Abend erleben, das werdet ihr kennen“, sagt Kuhn zum Konzertbeginn. Macht ja nichts. Im Gegenteil.
Open Air in Hamburg: Kuhn-Konzert dient als Schlagermove-Epilog
Kuhn wird im Laufe des Abends nicht müde zu betonen, wie viel ihm daran liegt, nach der Corona-Zeit der Konzertabsagen und geschlossenen Kneipen endlich wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. Wie ehrlich er, der sich immer wieder als die Arme weit öffnende Grinsebacke mit penibel einstudierter Choreografie gibt, das meint, beweist schon die Dauer des Konzerts. Drei Stunden! Respekt, zumal Kuhn und Band ständig über die Bühne springen, joggen, tänzeln.
Im Publikum geht es vielen gar nicht darum, möglichst nah am Idol zu stehen, so der Eindruck. Sie blicken nicht einmal ständig zur Bühne. Die vielfach in größeren Freundesgruppen Angereisten wollen hier miteinander ausgelassen sein. Sie sind zwar wegen Kuhn gekommen, doch nicht allein für ihn. Polonaise zum Bierstand statt Anhimmelei, das Konzert dient als Schlagermove-Epilog oder -Ersatz.
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Dieter Thomas Kuhn mit wehender Föhnfrisur und viel, viel Brusthaar
Neben ewigen Hits wie „Wunder gibt es immer wieder“, „Ich war noch niemals in New York“ und „Fiesta Mexicana“ gehört es zu Dieter-Thomas-Kuhn-Konzerten, dass der Stars des Abends einige Damen auf die Bühne bittet. Meist, so auch am Freitagabend auf dem Großmarkt, ist mindestens eine davon mutig genug, sich dabei ein Stück falsches Brusthaar des Sängers zu sichern. Konsequenterweise kauft Kuhn das Utensil daher mittlerweile als Meterware.
Zum Ende des Konzerts setzen Kuhn und seine vielköpfige Band – Saxofonist, Trompeter, Schlagzeuger, Bassist, Gitarrist, Organist und Keyboarder (Tambourin können im Zweifel alle spielen) – den Höhepunkt mit Funkenfontäne, viel Rauch und rosa Licht: „Ti Amo“, dann „Merci Chérie“. Dazu weht der Ventilatorwind durch die Föhnfrisur. Großer Jubel.