Nach eigener Aussage kannte Nikitin die Bedeutung einiger Tätowierungen nicht. „Es war mir nicht klar, dass die Symbole, die ich als Tattoos trage, in Zusammenhang gebracht oder sogar von Nazis oder Neonazis benutzt werden können“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Unter anderem trägt er zwei auch von den Nationalsozialisten verwendete Runen als Tattoo auf dem Oberkörper.
Bayreuth/Köln. Umbesetzung kurz vor der Generalprobe: Wegen Tätowierungen mit nationalsozialistischen Symbolen hat der Bassbariton Evgeny Nikitin seinen Auftritt bei den Bayreuther Festspielen abgesagt. Der Russe war für die Titelrolle in Richard Wagners „Fliegendem Holländer“ vorgesehen. Mit der Oper sollen die Festspiele am kommenden Mittwoch (25. Juli) eröffnet werden. Ersatzmann Samuel Youn stand bereits bei der Generalprobe am Samstag auf der Bühne. Der Südkoreaner sei auch im Falle einer Erkrankung als Ersatz für Nikitin vorgesehen gewesen, sagte ein Sprecher der Festspielleitung am Sonntag. Bis zur Premiere seien weitere Einzelproben mit Youn geplant.
„Mir war die Tragweite der Irritationen und Verletzungen nicht bewusst, die diese Zeichen und Symbole besonders in Bayreuth und im Kontext der Festspielgeschichte auslösen“, erklärte der 38-jährige Russe am Samstag in einer schriftlichen Stellungnahme. Nach einem Gespräch mit der Festspielleitung habe er sich dazu entschieden, auf seinen Auftritt auf dem Grünen Hügel zu verzichten.
Die „künstlerische Beschädigung der Inszenierung“ sei selbst nach Einarbeitung eines Ersatzes immens, sagte Regisseur Jan Philipp Gloger nach dem Gespräch mit Nikitin. Es sei fraglich, ob sein Ausfall bis zur Premiere restlos aufgefangen werden könne.
Youn studierte Gesang in Seoul, Mailand und Köln. Seit der Spielzeit 1999/2000 ist er Mitglied im Ensemble der Oper Köln, wo er auch schon die Titelrolle im „Fliegenden Holländer“ sang. Sein Debüt bei den Bayreuther Festspielen gab er 2004 als zweiter Gralsritter im „Parsifal“. Seitdem war er mit Ausnahme der Jahre 2008 und 2009 durchgehend in kleineren Rollen auf dem Grünen Hügel zu sehen. Seit 2010 verkörpert er den Heerrufer des Königs in der Oper „Lohengrin“. Diese Rolle soll er neben seinem Engagement als „Holländer“ auch in diesem Jahr spielen.
Nikitin bereut Tätowierungen
Die Festspielleitung war nach eigener Aussage durch Recherchen der „Bild am Sonntag“ auf die kritischen Tattoos aufmerksam geworden. In der ZDF-Kultursendung „Aspekte“ am Freitagabend waren ältere Aufnahmen Nikitins zu sehen, die ihn als Schlagzeuger einer Heavy-Metal-Band zeigen. Auf seiner Brust ist ein Hakenkreuz-Tattoo zu erkennen, das teilweise von einem anderen Motiv überdeckt ist. „Ich habe mir die Tattoos in meiner Jugend stechen lassen. Es war ein großer Fehler in meinem Leben und ich wünsche mir, dass ich es niemals getan hätte“, schrieb Nikitin. Das Hakenkreuz auf seiner Brust ist inzwischen mit einem farbigen Tattoo überstochen.
Nach eigener Aussage kannte Nikitin die Bedeutung einiger Tätowierungen nicht. „Es war mir nicht klar, dass die Symbole, die ich als Tattoos trage, in Zusammenhang gebracht oder sogar von Nazis oder Neonazis benutzt werden können“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Unter anderem trägt er zwei auch von den Nationalsozialisten verwendete Runen als Tattoo auf dem Oberkörper.
Er sei sich bewusst, „dass die Verbrechen, die in Nazi-Deutschland verübt wurden, zu den schrecklichsten Verbrechen gehören, die je verübt wurden“, betonte Nikitin. Er habe sich die Tattoos in den Jahren 1989, 1990 und 1991 in Russland stechen lassen und sie „in Büchern über nordische Mythen und aus Tattoo-Shop-Katalogen ausgesucht“. Nikitin versicherte: „Die Zeichen haben für mich überhaupt keine politische, sondern nur eine spirituelle Bedeutung. Ich war nie Teil einer politischen Partei und bin es auch heute nicht.“
Erinnerungen an dunkelstes Kapitel in Festspiel-Geschichte
Die Zeit des Nationalsozialismus und die Nähe von Siegfried Wagners Witwe Winifred zu Adolf Hitler markieren das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Festspiele. Hitler hatte Bayreuth zuletzt 1940 besucht. Ab diesem Zeitpunkt wurden auf seine Anordnung sogenannte Kriegsfestspiele durchgeführt. Die letzte Aufführung gab es am 9. August 1944. Seit einigen Tagen erinnern mannshohe grauen Info-Tafeln vor dem Festspielhaus an die Judenfeindlichkeit auf dem Grünen Hügel.
Der russische Bassbariton hatte erst vor wenigen Tagen im dapd-Interview gesagt, mit seinem Auftritt in Bayreuth gehe für ihn ein Traum in Erfüllung. Nikitin ist inzwischen ein gefragter Sänger an den großen Opernhäusern, vor allem für die schweren deutschen Rollen, für den „Holländer“, überhaupt für Wagner, aber auch für Richard Strauss. Noch während seines Studiums in St. Petersburg wurde er vom Mariinsky-Theater engagiert. 2002 gab er sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York. 2008 trat er im „Fliegenden Holländer“ am Festspielhaus Baden-Baden auf. Im gleichen Jahr debütierte er an der Bayerischen Staatsoper München.
Das ist Samuel Youn – Bayreuths neuer Holländer
Völlig unverhofft kommt Samuel Youn zu seiner ersten großen Rolle in Bayreuth. Nach dem Eklat um den russischen Sänger Evgeny Nikitin springt der Bassbariton kurzfristig ein und wird bei der Eröffnung am Mittwoch die Titelpartie im „Fliegenden Holländer“ singen. Die Rolle ist ihm freilich nicht unbekannt, und auch das Bayreuther Pflaster kennt Youn gut. 2004 gab er nach Festspielangaben sein Debüt auf dem Grünen Hügel als zweiter Gralsritter im „Parsifal“. Er sang eine kleinere Rolle im „Tannhäuser“ und verkörperte ab 2010 den Heerrufer im „Lohengrin“. Diese Rolle soll er neben dem „Holländer“ auch dieses Jahr wieder übernehmen.
Youn studierte Gesang in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, in Mailand und an der Musikhochschule Köln. Er ist seit der Saison 1999/2000 Ensemblemitglied der Oper Köln.
Erst im Mai sang er dort den Holländer und erntete sehr positive Kritiken. „Samuel Youn ist dem Holländer stimmlich in jeder Hinsicht gewachsen, kommt auch mit nie ermüdender Gewalt übers Orchester“, urteilte der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Youns Repertoire umfasst neben diversen Wagner-Partien (Wotan, Donner, Gunther, Kurwenal) auch Rollen wie den Escamillo in „Carmen“ oder den Scarpia in „Tosca“.
(dapd/dpa)