Seit Tagen schon dreht der Hollywood-Star an der Gregor-Mendel-Straße in Potsdam - und stellt den Alltag der Anwohner auf den Kopf.

Potsdam. Es gibt Freunde, die mich beneiden. Die wissen nichts von Generatoren, die die ganze Nacht vorm Schlafzimmerfenster dröhnen. Von Rühreiern für 250 Mann, die morgens um sieben quasi unter der Fensterbank gebraten werden. Von der elenden Bücher- und Lebensmittelschlepperei am Abend, weil im Umkreis von fünfhundert Metern immer neue Halteverbotsschilder aus dem Boden sprießen. Geschweige denn von sogenannten Security-Leuten, die jedes Mal aufs Neue ihr "Hier können Sie nicht durch!" herausknurren. Die wissen nur, dass Tom Cruise nebenan dreht.

"Hast du ihn gesehen?" Nein. Beziehungsweise doch, aber nicht wirklich. Wie hat der Nachbar rechts gemeint? "Wenn Sie viele Schirme sehen und dahinter nichts, dann isses Tom Cruise." Nun, viele Schirme schwirrten am Sonntag vorm Haus vorbei, und da gleichzeitig die Sonne schien, ist es vermutlich Tom Cruise gewesen. Bei der Set-Besichtigung.

Inzwischen ist Freitag. Der fünfte von sieben "Valkyrie"-Drehtagen in der Potsdamer Gregor-Mendel-Straße, und Mr. Cruise sitzt gerade in seinem Translux-Trailer. Einem monströsen Wohnwagen, aus dem sich - wie riesige Schubladen - zusätzliche Erker herausfahren lassen und den man eigens aus England herbeigeschafft hat. Der Translux-Trailer steht unmittelbar vor der Nr. 26, sodass Tom Cruise - Tür auf, Treppe hoch - immer blitzartig in der berühmten Löwenvilla verschwinden kann, in der sich vor dem 20. Juli 1944 tatsächlich die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg trafen.

Schirme werden da nicht mehr gebraucht, die einzige Gefahr, die Tom Cruise auf dieser Sprintstrecke droht, kommt durch die Postbotin, die hier zwischen zehn und halb elf auf ihrem gelben Fahrrad unterwegs ist. Eine resolute Frau, die sagt, das solle mal einer versuchen, ihr den Weg zu versperren - den werde sie schon "lüften"!

Apropos Post. Am Dienstag gab's keine, weil es den Köchen in ihrer aus Kalifornien eingeflogenen tarnkappenbombergrauen "For Stars"-Kombüse zu warm geworden war und sie ihren Arbeitstisch kurzerhand ins Freie gewuchtet hatten. Genau vor den Briefkasten. Und weil am Montag die Filmcrew bereits unfreundlicherweise die Auffahrt okkupiert hatte ("Wir dachten, hier wohnt keiner . . ."), sah sich am Mittwoch Klaus Große Darrelmann veranlasst einzugreifen. Der Aufnahmeleiter aus Babelsberg. "Was können wir für Sie tun? Möchten Sie in ein Hotel umziehen?" "Nicht nötig." "Sie könnten morgens bei uns frühstücken!" "Rührei? Nein, danke."

"Wir wissen, dass wir anstrengend sind", sagt Klaus Große Darrelmann und setzt sein gewinnendstes Lächeln auf. Man habe bereits Generatoren versetzt, um den Lärmpegel zu senken, und selbstverständlich werde man keine Autos der eigentlichen Anlieger abschleppen lassen. "Aber wir brauchen eben Platz." Das wirkt allerdings ein klitzekleines bisschen untertrieben angesichts der Kolonnen von Büro- und Küchen-, Wohn-, Kühl- und Klowagen. Und, nicht zu vergessen, angesichts des riesigen Verpflegungszeltes, das auf dem Grundstück vis-à-vis steht und zu dem die Filmleute über eine Treppe gelangen, die sie über die Backsteinmauer geschlagen haben.

Am Donnerstag stand Wolfgang Rossmann im Vorgarten und sagte, dass er über seine Rolle in dem Stauffenberg-Film nichts sagen darf. Ein sehr gut aussehender älterer Herr, der - darauf ließ der schwere schwarze Anzug schließen - einen der Mitverschwörer spielt. In der BZ stand, dass "in den nächsten Tagen" Nicole Kidman in Berlin eintreffen wird. Die Ex von Tom Cruise, die die weibliche Hauptrolle in der Verfilmung von Bernhard Schlinks Roman "Der Vorleser" übernehmen wird. Die BZ erinnerte daran, dass Katie Holmes, die amtierende Ehefrau, am Montagabend nach Los Angeles zurückgeflogen ist und fragte bedeutungsvoll: "Wollte sie ihrer Vorgängerin aus dem Weg gehen?"

Am Donnerstag tröpfelte nur noch braune Tunke aus dem Wasserhahn, weil die Filmleute auch das Wassermonopol übernommen hatten.

Am Freitag meinte ein Mann aus der Schlegelstraße, der sein Auto auch nicht mehr vor der eigenen Tür parken darf, dass er sich den "Operierenden Titan der Stufe VII" doch sehr gern mal aus der Nähe angucken würde. "Diesen Herrscher über Raum, Zeit, Materie und Energie." Und wenn ihm Mr. Cruise bei der Gelegenheit eine Scientology-Broschüre überreichen wolle - "Bitteschön! Für solche Sachen haben wir ja eine Mülltonne." Der Nachbar aus der Schlegelstraße hatte in der Zeitung gelesen, dass die Scientologen von Mrs. Holmes verlangt haben, bei der Geburt ihrer Tochter Suri eine Sonnenbrille aufzusetzen! Darüber konnte er sich schieflachen.

Suri, inzwischen ein Jahr und vier Monate alt, wird von Tom Cruise und Katie Holmes allerdings nur auf dem Berliner Gendarmenmarkt herumgezeigt und nicht in der Potsdamer Gregor-Mendel-Straße. Am Gendarmenmarkt liegt das "The Regent"-Hotel, in dem "Tomcat", wie die beiden in Hollywood genannt werden, abgestiegen sind. Was man verstehen kann. So schick ist der vierzig Quadratmeter große Translux-Wohnwagen nun auch wieder nicht. Jedenfalls nicht von außen.

Tja, das war sie so im Großen und Ganzen, die Woche mit Tom Cruise. Am Sonnabend wollen jetzt dringend ein paar Freunde vorbeischauen. Die wissen nicht, dass der Hollywood-Kram in der Gregor-Mendel-Straße erst am Montag weitergeht.