SUNG-HYUNG CHO über kühle Deutsche, herzliche Holsteiner und visuell-akustische Überwältigung

Wie kam es zu Ihrem lange Zeit nicht gerade positiven Eindruck von Deutschland?

CHO: Mit 23 Jahren bin ich aus Korea hierher gekommen. Prägend war für mich die erste Zeit in Marburg. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich willkommen sei. Immer wieder hörte ich die Fragen "Woher kommst du?" und "Wann gehst du wieder zurück?". Dabei wusste ich gar nicht, ob ich überhaupt zurückgehen wollte. Es war für ausländische Studenten gar nicht so leicht, deutsche Freunde zu finden. Es fiel mir auch deshalb schwer, mit Deutschen zurechtzukommen, weil sie so reserviert waren. Und ich war auch ziemlich schüchtern, weil ich eine andere Mentalität gewohnt war.

Wie unterscheidet sich die koreanische Mentalität von der deutschen?

CHO: Sie ist direkter und sehr kontaktfreudig. Wenn man in Korea in einem Reisebus neben einer alten Tante sitzt, die man überhaupt nicht kennt, schiebt sie dir trotzdem einen Bonbon oder ein Stück Reiskuchen rüber. Wenn man isst, dann zusammen. Der Kontakt ist sehr ungehemmt. Koreaner sind sehr temperamentvoll. Sie streiten laut und schreien viel, so ein bisschen wie Italiener. In Bornheim, wo ich gewohnt habe, herrschte absolute Stille. Ich habe es kaum ausgehalten, weil ich dachte, alle sind sauer auf mich.

Warum war das so? Waren die Leute fremdenfeindlich?

CHO: Nein, nur scheu. Ich glaube es liegt an der Erziehung. Die Deutschen lernen nichts über andere Kulturen, sie sind sehr eurozentrisch. Koreaner sind nationalistisch, aber trotzdem haben wir das Fach Weltgeschichte.

Und mit diesen Eindrücken im Gepäck sind sie zu den als stur und maulfaul verschrienen Holsteinern nach Wacken gereist. Was haben Sie dort erlebt?

CHO: Ich wurde prompt von den Dorfbewohnern auf der Hauptstraße begrüßt. Ganz herzlich. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis.

Auslöser für Ihre Filmpläne war ein Foto in einem "FAZ"-Artikel über das Wacken Open Air?

CHO: Es war für mich ein Sinnbild für den "clash of cultures", den ich als Ausländerin täglich erlebe. Es hat mich lange nicht mehr losgelassen. Ich wollte unbedingt wissen, wie das Dorf ist und wie es dort beim Festival zugeht, also bin ich hingefahren. Danach musste ich diesen Film machen.

Wie sind Sie den Wackenern nähergekommen?

CHO: Zunächst habe ich einen Trailer gedreht. Danach wusste ich, mit welchen Leuten ich den Film machen wollte. Diese Leute habe ich immer wieder besucht und mit ihnen über Gott und die Welt geschnackt.

Wie haben Sie es geschafft, die Leute zum Reden zu bringen?

CHO: Nicht mit Tricks. Sie hatten das Bedürfnis, diese Geschichten loszuwerden, und ich habe auch viel von mir erzählt. So entstand diese Offenheit.

Wie haben Sie das Festival erlebt?

CHO: Als visuell-akustische Überwältigung. Der Tonsalat ist furchtbar. Wenn man nicht aus der Szene kommt, ist es sehr anstrengend.

Warum bezeichnen Sie Ihre Doku als Heimatfilm?

CHO: Ich habe seit dem Film neue Erkenntnisse gewonnen, die in Wacken begonnen haben. Die haben dort ein ungestörtes Verhältnis zu sich selbst und ihrer Heimat. Deshalb sind sie wohl auch in der Lage, Fremde besser zu akzeptieren. Seit dem Film fühle ich mich in Deutschland zu Hause.