Regisseur Jafar Panahi über die Dreharbeiten und Restriktionen

ABENDBLATT: Herr Panahi, was war der Auslöser zu Ihrem neuen Film "Offside"?

JAFAR PANAHI: Meine Tochter wollte unbedingt mal zu einem Fußballspiel ins Teheraner Stadion. Ich sagte ihr: "Laß es, du kommst da nicht rein." Aber sie bestand darauf, es zumindest mal zu versuchen. Wir fuhren zusammen hin - erst wurde sie abgewiesen, bat mich aber, drinnen auf sie zu warten, sie würde schon einen Weg finden, um reinzukommen. Und zehn Minuten später war sie wirklich drin; wir haben uns das Spiel gemeinsam angesehen.

ABENDBLATT: Warum gibt es im Iran die Regel, daß Frauen nicht in ein Fußballstadion dürfen, und soll dieser Film etwas daran ändern?

PANAHI: In allen Filmen, die ich je inszeniert habe, geht es um soziale Belange, um Grenzen und Beschränkungen. Dabei spielt es für mich keine Rolle, wem die Grenzen gelten, ob Mann oder Frau - sie existieren in einer Gesellschaft. Ich mache diese Filme, um einen Impuls zu geben - vielleicht bringt er ja diejenigen, die diese Gesetze erlassen haben, zum Nachdenken, vielleicht gibt er einen Impuls, eine Lösung zu finden, das Leben in diesem Land menschlicher zu machen.

ABENDBLATT: Gibt es Druck von seiten Ihrer Regierung, wenn Sie solch einen kritischen Film machen? Wie steht es um die Zensur in bezug auf Film und Künste?

PANAHI: Es gab immer Zensur im Iran, ob vor oder nach der Revolution, und immer gab es eine Ausrede dafür. Unsere Filmemacher haben dafür gekämpft, daß sie ihre Kunst so frei wie möglich ausüben können. Ich freue mich, daß es trotz aller Widrigkeiten so viele renommierte iranische Filme gibt.

ABENDBLATT: Inwiefern waren Sie von der Zensur betroffen?

PANAHI: Nach fast acht Jahren durfte ich vor vier Wochen zum ersten Mal wieder einen meiner Filme im Iran zeigen. Meine vorigen Filme, "Dayereh" und "Talaye Sorkh" durften bislang nicht öffentlich gezeigt werden. Ich war mit diesen Filmen in über 40 Ländern - aber es war ein ganz besonderes Vergnügen, ihn mit meinen Landsleuten zu sehen und zu merken, was für eine intensive Beziehung ich darüber zu ihnen aufbauen kann. Das ist eine sehr unmittelbare Erfahrung, die man sonst nirgendwo auf der Welt machen kann.

ABENDBLATT: Was hatte man an Ihren früheren Filmen auszusetzen?

PANAHI: Es ging meist nur um ein paar Textzeilen, die ich streichen sollte. Aber ich war nie dazu bereit, auch nur ein einziges Wort zu verändern. Warum sollen meine Landsleute den Film in einer anderen Version sehen als andere Kinozuschauer auf der Welt? Das geht nicht, das wäre Respektlosigkeit gegenüber dem Kinozuschauer. Wenn ich auch nur ein Jota verändere, ist das nicht mehr mein Film.

ABENDBLATT: Wurde beim Drehen von "Offside" denn kein Druck auf Sie ausgeübt?

PANAHI: Der Zensor forderte: Panahi soll erst einen seiner alten Filme so kürzen, wie wir es von ihm verlangen, dann kann er ein, zwei Jahre später über einen nächsten Film nachdenken. Aber so ging das nicht - zumal dieses Thema mit der WM dann vorbei gewesen wäre. Wir haben es so gemacht: Einer meiner Mitarbeiter hat ein falsches Drehbuch eingereicht, für das er eine Drehgenehmigung bekam. Erst fünf Tage vor Drehschluß haben die Behörden herausgefunden, daß ich es bin, der da einen Film dreht. Mit Hilfe des Teams haben wir es dennoch geschafft, den Film fertigzudrehen.

ABENDBLATT: Der Film zeigt auch Soldaten, die nicht unsympathisch sind, sondern eher unterlegen und wehrlos. Ist das realistisch?

PANAHI: Im Iran ist der Dienst an der Waffe Pflicht. Jeder Mann muß mit 18 Jahren Wehrdienst leisten, das ist unumgänglich. Diese Jungs unterscheiden sich daher gesellschaftlich überhaupt nicht vom Rest der Bevölkerung - sie stehen nur kurzzeitig auf der anderen Seite.

ABENDBLATT: Was bedeutete Ihnen, daß der Film auf der diesjährigen Berlinale zu sehen war und auch ausgezeichnet wurde?

PANAHI: Das hat mich sehr bewegt. Ich fand immer, daß Berlin der ideale Ort wäre, um meinen Film vorzustellen, weil in diesem Land die WM stattfindet. Meine Darstellerinnen im Film lieben den Fußball - wir sind in ein Land gekommen, in dem Fußball zelebriert wird. Das paßt doch bestens!