Hamburg. Millionenschwere Sanierung des größten deutschen Sprechtheaters biegt in die Zielgerade. Doch weitere Arbeiten werden folgen.
Es lärmt, überall, wo Platz ist, liegt Kram. Die Luft schmeckt nach Staub, und wer in den Großen Saal will, darf das natürlich nur mit Bauhelm. Klingt zunächst wie ein nostalgisches Déjà-vu-Erlebnis mit der unfertigen und immer teurer gewordenen Elbphilharmonie, ist aber noch bis zum Spätsommer das Schauspielhaus, momentan die spektakulärste Kultur-Baustelle der Stadt.
Großer, feiner Unterschied zum Konzerthaus am Elbufer: Hier ist man sowohl im Zeit- als auch im Kostenplan, betonten am Donnerstag die Verantwortlichen von Schauspielhaus, Kulturbehörde und Sprinkenhof AG beim Rundgang unisono und mit freudiger Vehemenz. Und bei den Kosten geht es in diesem Sanierungs-Abschnitt des denkmalgeschützten Hauses um vergleichsweise überschaubare rund 4,7 Millionen Euro. Auf 3,36 Millionen Euro beläuft sich der Gesamtpreis für die Aktivitäten im Saal. Der Rest wird für die Sanierung der Foyers inklusive der in die Jahre gekommenen WCs investiert.
Die Baustelle im Schauspielhaus:
Die Baustelle im Schauspielhaus
Nicht alle Neuerungen sind direkt sichtbar
Was man (also letztlich die Stadt, die Bürger, das Publikum, wir alle) für dieses Geld bekommt, ist so einiges. Das meiste davon allerdings ist nicht direkt sichtbar. Die Rangsanierung spielt sich gewissermaßen hinter den prächtigen Kulissen des Theaterraums ab. Um die Tragfähigkeit der Ränge zu erhöhen, wurden und werden sie entkernt und ihre Stützen erneuert, die Konstruktion selbst wird massiv verstärkt: 28 Tonnen Stahl werden portionsweise aus den Rängen herausoperiert, 58 Tonnen Stahl kommen frisch wieder in den Raum hinein. Die Baurichtung: zunächst vom Parkett, Rang für Rang, senkrecht Richtung Saaldecke, erklärt Sprinkenhof-Projektleiter Thomas Breier. Danach geht es wieder bergab, um den optischen Ausgangszustand in seiner ganzen opulenten, neobarocken Zuckerbäcker-Pracht wiederherzustellen.
Der angestrebte Übergabetermin ist der 15. September. Tontechnik und alles andere wieder installieren, tief durchatmen und dann: Showtime. Am 1. Oktober soll der Probenbetrieb der Bühne wieder aufgenommen werden können, damit dort Edgar Selge in Karin Beiers Inszenierung von Shakespeares „King Lear“ am 19. Oktober termingerecht an der Welt verzweifeln kann.
Wie bei einer Christo-Installation
Anfang Mai hatte man mit dem Ausbau von Gestühl und Tontechnik begonnen, die klassisch rot bezogenen Stühle parken unter anderem im Eingangsfoyer, unter schützender Folie natürlich. Im Parkett steht nun ein feuerroter Kran auf einer mächtigen Rampe, der die Stahlträger nach der Anlieferung über die Bühne zu ihrer Position bringt. Durch diese hohle Gasse muss er kommen, der großformatige Baumaterial-Nachschub, kein anderer Weg führt für ihn hinein und hinaus. Der Bereich unter dem ersten Rang hat, wie auch die Bühne selbst, etwas von einer Christo-Installation. Hinter den Plastik-Vorhängen wird an den Wänden gearbeitet, die grauen Interims-Stützen stehen klobig und roh im Bild, einige der neuen Säulen sind bereits wieder verkleidet wie ihre Vorgänger.
Auf den Garderobentischen in den Foyers warten unterdessen einzelne Teile des genau kartographierten Stuck-Puzzles; rund 80 Prozent konnten erhalten werden und sollen wieder an ihren jeweiligen Platz montiert werden, der Rest wird originalgetreu und sachgemäß ergänzt. Teppich und Wandbespannung werden erneuert. Alles wie vorher eben, nur in hübsch neu.
Die Grundsanierung steht noch an
Alles ganz kurz vor fertig also, nach den vielen Technik-Erneuerungs-Etappen hier, da und dort, nachdem seit 2013 die neue Obermaschinerie da ist und der Bühnenturm verbessert? Nun ja. Fast. „Die Grundsanierung des Gebäudes steht noch an“, so verlängert Peter Raddatz, der Kaufmännische Direktor des Schauspielhauses, die To-Do-Liste in die mittelfristige Zukunft hinein, aber „in den nächsten fünf Jahren eher nicht.“ Hans Schiffer, bei Sprinkenhof für die Kultur-Bauten zuständig, sieht das ähnlich. „Wir brauchen erstmal eine Pause.“ Ein Jahr bräuchte man dafür in etwa, schätzt Hans Schiffer, der bei der Sprinkenhof AG für solche Themen zuständig ist. Erste Kostenschätzungen lägen bei 55 Millionen Euro, hieß es, in sehr viele Konjunktive verpackt. Nach der Großbaustelle ist also schon fast vor der Großbaustelle. Profaner ausgedrückt: Irgendwas bröckelt ja immer.