Hamburg. Lange wurde ein Geheimnis um den neuen Roman Benjamin von Stuckrad-Barres gemacht. Jetzt gibt es Neuigkeiten.
In der Verlagsankündigung von Kiepenheuer & Witsch war der lang erwartete neue Roman Benjamin von Stuckrad-Barres („Panikherz“, „Soloalbum“) vor ein paar Monaten reichlich nebulös angekündigt. Kein Wort zum Inhalt, nicht mal ein Titel wurde vermeldet – und dann der Erscheinungstag von März auf April verschoben.
Jetzt gibt es Details – und die scheinen die Gerüchteküche zu bestätigen. Es gehe, so heißt es in den Angaben zu „Noch wach?“, um „Machtstrukturen und Machtmissbrauch“, um „Mut“ und menschliche Abgründe. Ferner sei „Noch wach?“ ein „Sittengemälde unserer Zeit“, „ein typischer Stuckrad-Barre“, „literarisch brillant“. Typische Verlagsprosa also.
Und doch eine Fundgrube für all die, die seit einiger Zeit über den Inhalt des Buchs spekulieren. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der lange mit dem Springer-Verlag verbandelte Autor Stuckrad-Barre zuletzt an einem Schlüsselroman zur Medienbranche gearbeitet hat. Das Vorbild einer Figur des Stoffes soll Springer-Chef Mathias Döpfner sein.
Döpfners Textnachricht an Benjamin von Stuckrad-Barre
Die gute Bekanntschaft der beiden war 2021 in der „New York Times“ öffentlich geworden. Das Blatt, offensichtlich aufgrund von Springers Amerika-Ambitionen eminent an den Standpunkten des Verlegers interessiert, zitierte damals eine Textnachricht von Döpfner an Stuckrad-Barre, in der Döpfner Deutschland als „neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ bezeichnete – aufgrund der Corona-Maßnahmen. Döpfner galt lange als Unterstützer des umstrittenen Ex-„Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt.
Benjamin von Stuckrad-Barre dagegen ist als Gegner Reichelts bekannt. Angeblich war er es, der Reichelts Umgang mit ihm untergebenen Journalistinnen bei der Konzernleitung vortrug. Der Vorwurf, er habe seine Machtposition als Chefredakteur und entsprechende Abhängigkeitsverhältnisse seiner Angestellten ausgenutzt, brachte Reichelt schließlich zu Fall.
Neuer Roman „Noch wach?“: Reichelts Mails an Untergebene
Was man nun über das neue Buch Stuckrad-Barres weiß: Es geht auch um #MeToo, um Amerika, wo der Weinstein-Skandal das Zentrum einer Anklagewelle war. Es geht um eine junge Frau, die bei einem großen Fernsehsender arbeitet. Und um die Berliner Verhältnisse, in denen sich der Erzähler mit einem Male wiederfindet, „nicht mehr nur als Liegestuhlbeobachter, sondern nun als Akteur mitten in einem unübersichtlichen Geschehen“, „das ihn in einen tiefen persönlichen Konflikt stürzt“.
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Der Titel „Noch wach?“ geht übrigens, glaubt man dem „Spiegel“, auf typische Nachrichten zurück, die Reichelt in seiner „Bild“-Zeit Berufseinsteigerinnen zu später Stunde schickte. „Ich will deinen Körper spüren“ soll da auch gerne mal gestanden haben, meldete das Nachrichtenmagazin einst. Stoff genug also für eine pralle Erzählung wie Helmut Dietls Medienwelt-Satire „Zettl“, an dessen Drehbuch Benjamin von Stuckrad-Barre beteiligt war?
Der Roman erscheint am 19. April, am 1. Juni stellt Benjamin von Stuckrad-Barre ihn in der Hamburger Markthalle vor.