Irvine Welsh begleitet in “Crime“ einen Antihelden auf dem Weg zu sich selbst.
Die Welt, die der schottische Autor Irvine Welsh in seinem neuen Roman "Crime" beschreibt, ist wie immer schlecht. Heldentum muss hier erst durch harte Prüfungen und Läuterungen erworben werden. Mit Ray Lennox begleitet Welsh mal wieder einen ausgemachten Anti-Helden auf seinem steinigen Weg.
Lennox ist ein Cop, der in Schottland Verbrecher der übelsten Sorte bekämpft; jene, die sich an Kindern vergehen. Mit seiner Verlobten tritt er eine Reise durch Florida an. Während die etwas naive junge Frau noch glaubt, die Reise gelte den Hochzeitsvorbereitungen, ist er in Wirklichkeit auf der Mission, seine inneren Dämonen zu vertreiben. Seit ihm ein Kinderschänder entkommen ist, hält er sie nur notdürftig mit Medikamenten in Schach.
Damit ist Lennox eine zwiespältige Figur par excellence, deren Abgründe Welsh so meisterhaft beschreiben kann, wie schon die Junkie-Szene in seinem Welt-Hit "Trainspotting". Und auch in "Crime" beleuchtet er ein dunkles Milieu aus Cops und Junkies, diesmal in der flirrenden Hitze Miamis mit ihren Sumpflandschaften und lauernden Alligatoren, in der Lennox ein junges Mädchen versucht, vor dem Zugriff eines Pädophilenringes zu bewahren. Über weite Strecken liest sich das Buch wie ein spannendes Road-Movie, eine Entwicklungsgeschichte, die Lennox mitten durchs Herz der Finsternis ins Licht führt. In Wirklichkeit ist es eine Wandlung in seinem Innern, denn auch er schleppt ein Kindheitstrauma mit sich herum. Wenn sich am Ende hinter fast jedem Mann ein Kinderschänder verbergen muss, ist das für den Plot dann doch ein Twist zuviel.
Irvine Welsh: Crime Kiepenheuer & Witsch, 464 S., 19,90 Euro
Lesung 15.9., 21.00, "Cap San Diego", Eintritt 12 Euro