Beziehungskomödie mit Tiefgang: Senta Berger und Günther Maria Halmer brillieren als grantelndes Seniorenpaar in „Weißt du noch“.

„Es hält nicht lange an, aber es ist es wert.“ Wenn ein alter Mann einem anderen alten Mann blaue Tabletten zusteckt, heimlich und mit diesem Versprechen, dann glaubt man als Zuschauer zu wissen, worum es geht: Viagra.

Aber nein: Das ist es nicht, womit Günter (Günther Maria Halmer) seine Frau Marianne (Senta Berger) zum Hochzeitstag beglücken will. Um eine Wiederbelebung geht es zwar schon, aber nicht im platten physischen Sinne, sondern im übertragenen geistigen. Die Pillen sollen dabei helfen, sich zu erinnern.

Blaue Pillen zum Hochzeitstag: Nicht für die Potenz, sondern zum Erinnern

Das hat das Paar, das seit über 50 Jahren verheiratet ist, auch nötig. Nicht nur, weil er beim Einkaufen schon mal den Käse an der Kasse liegen lässt. Oder sie sich beim Kreuzworträtsel partout nicht an den Moderator mit den elf Buchstaben erinnern kann. Das Paar hat auch ein wenig vergessen, was sie mal füreinander empfunden haben.

Sie haben gemeinsam Kinder großgezogen und Tiefpunkte überstanden, könnten nun in ihrem großzügigen Haus den dritten Frühling genießen. Aber über die Jahrzehnte haben sich Vorwürfe und Verletzungen eingeschliffen. Was sich in kleinen Sticheleien ihrerseits und einem grundsätzlichen Grantlertum seinerseits manifestiert. Eigentlich leben sie mehr neben- als miteinander. Selbst ihren Hochzeitstag habe er vergessen, giftelt Marianne, die wie jedes Jahr ihre Zitronentarte gebacken hat. Aber da zückt Günter die besagten blauen Pillen hervor.

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Da sitzen sie auf ihrem Sofa. Und warten auf die Wirkung. Wie bei einem Haschkeks. Erst mal passiert gar nichts. Marianne hat auch nichts anderes erwartet. Aber dann fällt ihr doch der Moderator mit den elf Buchstaben ein. Und plötzlich blitzen auch längst vergessene Erinnerungen hervor.

„Weißt du noch“ bietet zwei Altstars eine schöne Bühne

Da wird der alte Dia-Apparat hervorgekramt. Und die beiden sitzen staunend vor Aufnahmen aus einer glücklichen alten Zeit. Freuen sich über Einzelheiten, die ihnen wieder einfallen. Fragen sich aber auch: Wann sind sie falsch abgebogen und das langweilige Spießerpaar geworden, das sie nie werden wollten?

„Weißt du noch“ sind Szenen einer Ehe. Nur nicht unter dem bitterbösen Sezierblick eines Ingmar Bergman, sondern dem tragikomischen Blickwinkel von Rainer Kaufmann und seinem langjährigen Autor Martin Rauhaus.

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Konstantin Wecker (r.) hat einen kleinen Gastauftritt als Günters bester Freund, der ihm die Pillen besorgt.
Konstantin Wecker (r.) hat einen kleinen Gastauftritt als Günters bester Freund, der ihm die Pillen besorgt. © dpa | ürgen Olczyk

Auch wenn es ein paar Nebenauftritte gibt, den eines Fernsehreparateurs oder den ironischen Gastauftritt von Konstantin Wecker als Pillen-Dealer, ist dieser Film im Grunde ein Zweipersonenstück für zwei deutsche Alt-Stars. Alt-Stars darf man hier schon sagen, denn zusammen zählen die beiden 162 Lenze.

Ein schöner Film, leicht und doch mit Tiefgang

Beide bringen ihre Persona voll mit ein. Das zeigt sich auch in alten Bildern von ihnen, die ineinandermontiert wurden. Und in fast allen Szenen sind sie ganz allein, in den immergleichen Räumen. Und doch wird der Film dabei nie langweilig. Wenn sich die beiden zanken, sich plötzlich wieder öffnen, sogar wie Teenager albern und sich doch bange fragen, was sie falsch gemacht haben.

Das ist eine Frage, die durchaus auch jüngere Zuschauer mit nach Hause nehmen können, als Anregung oder Vorwarnung. Ein schöner Film, leicht und doch mit Tiefgang. Und eine große Bühne für zwei große Schauspieler.

Tragikomödie, Deutschland 2023, 94 min., von Rainer Kaufmann, mit Senta Berger, Günther Maria Halmer, Konstantin Wecker