Darüber kann jeder lachen: Greta Gerwigs „Barbie“ ist ein Film für alle, die diese Puppe lieben. Aber auch für alle, die sie ablehnen.

Kann man vom Kino Karies kriegen? Am Anfang von „Barbie“ muss man das befürchten. Alles ist da pink, pastellfarben, überkandidelt, zuckersüß, Kitsch. Auf den Hügeln verheißen weiße Lettern nicht Hollywood, sondern Barbieland.

Daneben gibt es einen Mount Rushmore, aber mit Barbie- statt Präsidentenköpfen. Und auch hübsch: Wenn Barbie trinkt, dann aus leerem Glas. Wenn sie aus den High Heels steigt, läuft sie auf Zehenspitzen weiter. Wie das halt so ist, wenn man mit dem Püppchen spielt.

Bei Greta Gerwig ist Barbie in den besten Händen

Mit „Barbie“ drängt die meistverkaufte Puppe der Welt mit Wums ins Kino. Man konnte befürchten, der Film könne ein einziger ewiger Werbespot für Spielzeughersteller Mattel sein. Aber nein, die Angst können wir gleich nehmen. Mattel war so mutig, den Film Greta Gerwig anzuvertrauen.

Die erwarb sich ihre Regie-Meriten mit„Lady Bird“ und „Little Women“, feministische Dramen über die Selbstfindung junger Frauen. Und sie hat denselben schrägen Humor wie ihr Mann Noah Baumbach, mit dem sie das Drehbuch schrieb. Barbie ist da in den besten Händen.

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Ja, sie macht einen Werbespot für Mattel, gleich anfangs. Aber sie übertreibt dermaßen, dass die Erfindung der Puppe gleichgesetzt wird mit der Erfindung der Technik in Stanley Kubricks Klassiker „2001“ – nur das dabei kein Knochen in den Himmel geworfen wird, sondern – Sie ahnen es.

Die Kitschorgie in Barbieland dauert dann nur 15 Minuten. Bis Barbie plötzlich das Wort „Tod“ entfährt. Mitten auf einer Party, die dann jäh erstirbt. Und als sie am nächsten Morgen aufsteht, senkt sich ihr Fuß ab. Keine Zehenspitzen mehr – Plattfuß!

Die Welt da draußen ist nicht so heil und heititei wie in Barbieland

In gewisser Weise ist das die Vorgehensweise des ganzen Films. Barbie wird hier konsequent vom Kopf auf die (Platt-) Füße gestellt. Und oft wird ihr auch auf die Füße getreten. Irgendwer da draußen glaubt nicht mehr an seine Puppe. Deshalb muss Barbie (Margot Robbie) raus in die echte Welt, um den Riss im Kontinuum zu kitten. Und klar, ihr Gefährte Ken (Ryan Gosling) begleitet sie dabei.

Dabei muss Barbie erkennen, dass die Welt gar nicht so bunt, heil und heititei ist wie in Barbieland. Vor allem haben die Frauen hier nicht das Sagen, sie werden unterdrückt. Was wiederum Ken, der nichts kann, faszinierend findet: Hier muss man nur Kerl sein, schon hat man das Sagen!

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Yes, we Ken: Ken (Ryan Gosling, M.) und die anderen Männer setzen ein Patriarchat in Barbieland.
Yes, we Ken: Ken (Ryan Gosling, M.) und die anderen Männer setzen ein Patriarchat in Barbieland. © Warner

In der echten Welt landet Barbie sogar in der Firmenzentrale von Mattel. Dort spukt zwar immer noch der Geist der Barbie-Erfinderin Ruth Handel herum. Aber die Chefetage ist eine reine Männerrunde, die mit Mädchenträumen nur Reibach machen und Barbie zurück in die Verpackung stecken will. Als die, verfolgt vom Vorstand, zurück nach Barbieland flieht, ist dort alles aus den Fugen. Weil Ken inzwischen das Patriarchat ausgerufen hat. Quasi: Yes, we Ken.

Die Firma Mattel kriegt reichlich Fett ab. Hut ab, dass sie das mit sich machen lässt

Ein Kinderfilm ist das nicht. Aber eine saftige Satire. Und sogar eine doppelte. Die erste Hälfte macht sich noch über Barbie-Klischees lustig, die zweite aber ist eine Generalattacke auf unsere Gesellschaft und was da nicht stimmt mit der Gleichberechtigung.

Auch Mattel kriegt dabei immer wieder sein Fett weg. Das muss man dem Konzern schon anrechnen, dass er das alles mit sich machen ließ. Greta Gerwig jedenfalls ist die Quadratur des Kreises gelungen. Ihr Film wird nicht nur allen gefallen, die Barbie lieben, sondern auch allen, die sie immer schon gehasst haben.

Satire, USA 2023, 114 min., von Greta Gerwig, mit Margot Robbie, Ryan Gosling, Kate McKinnon,
America Ferrara, Will Farrell