Berlin. Erst war sie Kult, dann höchst umstritten, dann wieder Vorreiterin. Nun soll die Spielzeugpuppe Barbie auch noch das Kino erobern.

Früher war es ja mal andersrum. Da war das Kino so fantasiereich und befruchtend, dass von erfolgreichen Filmen auch das passende Spielzeug dazu hergestellt wurde. Siehe Micky Maus, das Modell-“Raumschiff Enterprise“, die Gadget-Koffer zu James-Bond-Filmen oder die „Star Wars“-Figuren und -Lichtschwerter. Inzwischen aber ist der Stoffhunger der Traumfabrik so groß, dass sie auch auf andere Erfolg schielt. Und auch auf herkömmliches Spielzeug setzt und ins rechte Bild setzt.

Wie die „Transformers“-Autos von Hasbro, die sich in Kampfroboter verwandeln und seit 2007 eine ganze Kinoreihe bestreiten, der jüngste startete erst vor einem Monat. Wie die dänischen Steckbauteile, die seit „Lego – The Movie“ (2014) auch die große Leinwand verbauen. Oder zuletzt „Playmobil – The Movie“ (2019).

Barbie ist Kult- und Hassobjekt zugleich – heiß geliebt und mit Verve bekämpft

Das ist nebenbei auch ein höchst lukratives Geschäft für die jeweiligen Spielzeughersteller. Und natürlich zusätzliches Marketing. Da wundert es nicht, dass nun auch die Barbie-Puppe, nicht als Animation-, sondern als Realfilm, in die Kinos kommt: „Barbie“ startet am 20. Juli. Man staunt eher, dass es so lange gedauert hat. Ist sie doch seit über 60 Jahren ein Dauerbrenner im Spielwarenladen.

Aber Barbie ist Kult- und Hassobjekt zugleich. Von den einen so heiß geliebt wie von den anderen verachtet und bekämpft. Weil es tradierte und überkommene Geschlechterrollen zementierte. Die Frauenbewegung damit um Jahrzehnte zurückwarf. Und schon kleine Mädchen mit unmöglichen, ja lebensunfähigen Körpermaßen (99-46-84) terrorisierte.

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Dabei war die Geburt von Barbie ja so was wie ein feministischer Akt. Bis dahin gab es für Mädchen eigentlich nur Babypuppen, die die Kinder dann spielerisch bemuttern durften. Bis sich Ruth Handler, die Mitbegründerin vom US-Spielzeug-Hersteller Mattel, fragte, wieso man eigentlich nicht auch erwachsene Puppen konzipieren sollte – nach dem Modell von Anziehpuppen in Modegeschäften. Um damit die Entwicklung des weiblichen Selbstwertgefühls zu fördern.

Ihr Mann Elliot wie ihr Mattel-Partner Harold Matson waren anfangs alles andere als überzeugt. Zum entscheidenden Erfolg trug erst – die deutsche „Bild“-Zeitung bei. Die nämlich druckte von 1952 bis 1961 einen Comic mit der weiblichen Hauptfigur Lilli. Und um die zu bewerben, wurde ab 1955 auch eine Puppe von ihr hergestellt.

1959 kam die erste Barbie auf den Markt, nur zwei Jahre später folgte Ken

Auf die stieß Ruth Handler bei einer Europareise in Luzern. Und brachte sie triumphierend mit nach Hause: Seht, so was funktioniert eben doch! Das war die Geburtsstunde von Barbie. Erstmals präsentiert wurde die Puppe auf der Spielzeugmesse American Toy Fair in New York am 9. März 1959. Benannt nach der Tochter der Handlers, Barbara. Und „Barbie“ wurde ein Kassenschlager. Nur zwei Jahre später bekam die Eva des Puppenparadieses dann auch einen Adam. Aus ihrer Mattel-Rippe wurde ein Ken gefertigt.

Ein Sensationsprodukt, das die Welt eroberte. Sehr früh aber auch in die Kritik geriet. Die Frauenbewegung, die sich gerade in den 60er-Jahren formierte, schrie auf gegen das reine Mode-Püppchen und die alten, überkommenen Familienwerte, die es verkörperte. Schon bald reagierte Mattel und entwarf 1963 die „Business-Barbie“, die nicht nur schöne Kleider wechseln konnte, sondern auch zur Arbeit ging, und 1965, also schon vier Jahre vor der Mondlandung, sogar eine Astronauten-Barbie. Es sollte allerdings fast 20 Jahre dauern, bis 1980 erstmals auch eine schwarze und eine Latina-Barbie auf den Markt kamen.

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Ruth Handler dei Erfinderin von Barbie, mit einer der vielen Puppen, die sie auf den Markt gebracht hat.
Ruth Handler dei Erfinderin von Barbie, mit einer der vielen Puppen, die sie auf den Markt gebracht hat. © picture alliance / AP | Pa

Immer aber reagierte Mattel auf Kritik. Immer wieder änderte sich auch das Äußere von Barbie, wurde den jeweiligen Schönheitsidealen angepasst. Aber schön musste Barbie schon sein, auch im Büro oder im All. Und auch an den unmöglichen Proportionen – großer Busen, Wespentaille, lange Beine – wurde lange festgehalten. Bis die Body-Positivity-Bewegung aufkam und die Abschaffung unrealistischer und diskriminierender Schönheitsideale forderte.

Barbie, einst feministisches Vorbild, wurde plötzlich zum Feindbild, das Generationen von Mädchen in die Körperscham trieb, wenn nicht gleich in die Magersucht. Und in den 2010er-Jahren musste der erfolgsverwöhnte Konzern miterleben, wie ihm plötzlich eine Disney-Figur den Rang ablief: die frostige Elsa aus dem Animationsfilm „Die Eiskönigin“, die auch gertenschlank war, aber eben nicht so übel beleumundet wie Mattels Blondine.

Nach dem Image-Verlust betrieb Mattel einen Totalrelaunch von Barbie

So wurde das Produkt noch einmal komplett neu gedacht. Mit neuen Körperformen – es gab erstmals eine „Curvy Barbie“ mit mehr Rundungen. Mit anderen Lebenswelten – es gab eine erste Barbie mit Hijab. Und es gibt auch eine Barbie im Rollstuhl. Inzwischen sogar eine Trans-Barbie. Damit kein Kind sich ausgeschlossen fühlt und jedes eine Identifikationsfigur findet. Der Relaunch hat funktioniert. Vor zwei Jahren verkauften sich 86 Millionen Exemplare weltweit. Das sind fast 1000 pro Tag. Und sie brachten einen Umsatz von 1,7 Milliarden ein.

Der soll nun noch mal kräftig gesteigert werden. Durch den „Barbie“-Film, der nächsten Donnerstag ins Kino kommt und in dem Margot Robbie („I, Tonya“,„Once Upon A Time… In Hollywood“) das Kultmädel verkörpert und Ryan Gosling („La La Land“, „Blade Runner 2049“) ihren Ken.

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Die Original-Barbie von 1959 (r) und ihre vielen späteren Nachfolgerinnen.
Die Original-Barbie von 1959 (r) und ihre vielen späteren Nachfolgerinnen. © picture alliance / abaca | Othoniel Patrick

Der Film wird aber keine reine Kitschorgie in einer pastellfarbener Plastikwelt. Barbie muss in die echte Welt hinaus – und erkennen, dass da nicht alles so perfekt und ideal ist wie in ihrer Kunstwelt. Dass das kein reiner und nur immens aufgeblähter Werbespot wird, dafür sorgt schon Greta Gerwig, die mit „Lady Bird“ und„Little Women“ bereits sehr feministische Dramen über die Selbstfindung und -verwirklichung junger Frauen gedreht hat.

Sie hat das Drehbuch mit ihrem Mann Noah Baumbach geschrieben, beide haben eine sehr spitze Zunge und Feder. Da wird auch Mattel ein bisschen sein Fett abkriegen. Aber der Konzern kann damit einmal mehr beweisen, wie offen, tolerant und selbstkritisch er ist.

Es wird nicht nur bei „Barbie“ bleiben - Mattel plant viele weitere Spielzeug-Filme

Maximaler Werbeeffekt mit Spitzenstars ist es dennoch. Und darauf setzt Mattel auch weiter. „Barbie“ ist noch nicht gestartet, da hat der Spielzeughersteller bereits angekündigt, er plane über 40 (!) weitere Filme. Nicht nur mit Barbie. Netflix produziert ein „Masters of the Universe“-Film.

Auch Major Matt Mason, Mattells Mann im Weltraum der 60er-Jahre, soll ins Kino-All geschossen werden, kein Geringerer als Tom Hanks soll ihn spielen. Auch die Kampffiguren „Rock ‘Em Sock ‘Em Robots“ kommen auf die große Leinwand, mit „Fast & Furious“- Star Vin Diesel. Und auch namhafte Regisseure sind im Gespräch, wie J.J. Abrams, der die Marke „Hot Wheels“ verfilmen soll.

Nach dem Marvel-Universum, das die Comic-Superhelden zum erfolgreichsten Kino-Franchise aller Zeiten machte, folgt nun vielleicht das Mattel-Universum. Und womöglich ist es gar nicht schwer, große Stars dafür zu gewinnen. Weil sie selbst früher mal mit dem einen oder anderen Spielzeug gespielt haben.