Hamburg. Hamburger Schülerinnen und Schüler sahen im Passage Kino die Doku „Die Akte Lindenberg“ – und hatten überraschende Fragen.
1972 hatte Udo Lindenberg sich gerade notiert, das Thema Tournee in der DDR anzugehen, da legte das Ministerium für Staatssicherheit auch schon eine Akte über den „mittelmäßigen Schlagersänger“ an, wie dort später ein Vermerk lautete. Ein besonderes Kapitel deutsch-deutscher Geschichte, Stoff für Legenden – und für den Schulunterricht.
200 Hamburger Schülerinnen und Schüler der zehnten und elften Klassen des Albert Einstein Gymnasiums Buchholz, der Bugenhagenschule Blankenese, des Louise Weiss Gymnasiums Hamm, der Goethe Schule Harburg und der Stadtteilschule am Hafen Altona kamen am Donnerstag in das Passage Kino, um auf der Leinwand und im Gespräch mit Zeitzeugen nachzuerleben, wie es der Panikrocker im Oktober 1983 auf die Bühne im Palast der Republik in Ost-Berlin schaffte und wie die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe dazu beitrugen, Geschichte zu schreiben.
Udo Lindenberg: Klasse sieht Dokumentation „Die Akte Lindenberg – Udo und die DDR“
Initiiert von Udos Schwester Inge Lindenberg und organisiert vom Kooperationsnetzwerk media.Bildungspartner für die Udo Lindenberg Stiftung und den Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur wurde zuerst die einstündige Dokumentation „Die Akte Lindenberg – Udo und die DDR“ gezeigt, die Falko Korth und Reinhold Beckmann 2011 produziert hatten.
Der Hamburger Journalist, TV-Moderator und Musiker Reinhold Beckmann war 1983 als Kameraassistent für ein ARD-Team direkt an Udos Seite, als El Panico offiziell vier Songs für ausgewählte FDJ-Kader sang und inoffiziell ein Bad in der Menge der richtigen Fans vor dem Palast der Republik nahm. Detailliert zeichnet Beckmanns Doku nach, was vor, während und nach dem Konzert geschah. Das Gezerre mit Funktionären, die Aktionen der Stasi, die Kritik in Ost und West, die Sehnsucht der DDR-Fans, Tumulte, Festnahmen, Misshandlungen, gebrochene Versprechen.
Udos Bassist Steffi Stephan wurde als Zeitzeuge ins Passage Kino eingeladen
Zu Wort kommen viele Zeitzeugen, von Udo über seine Panik-Musiker Steffi Stephan und Hannes Bauer bis zum letzten DDR-Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz. Reinhold Beckmann, Steffi Stephan sowie der ostdeutsche Udo-Fan Martin Schwarz und der Historiker Jens Schöne (Stellvertreter des Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur) sind auch in das Passage Kino gekommen, um nach der Filmvorstellung Fragen zu beantworten.
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„Wir hatten noch nie eine so ruhige Schulkinovorführung“, staunen die Moderatorinnen Antje Bernhardt und Sophie Diernberger. Aus der Sicht heutiger Jugendlicher ist es allerdings auch nur noch schwer vorstellbar, wie ein Auftritt eines Sängers ein international beobachtetes Politikum sein konnte, auch wenn der damalige Wunsch nach Frieden und die Furcht vor einem Atomkrieg in den heutigen Alltag zurückgekehrt sind. So drehen sich nicht wenige Fragen um die Angst vor Repressalien, die im DDR-Alltag immer präsent war.
Frage: „Wie geht es Udo Lindenberg heute und macht er noch Musik?“
„Bei einer Party dem DJ eine Kassette mit ,Sonderzug nach Pankow’ zu geben, war für uns ein Triumph, aber die Angst, in den Knast zu wandern, war immer präsent“, erinnert sich Martin Schwarz. 50 Fans wurden während Udos Auftritt von Stasi und Volkspolizei festgenommen, die zugesagte Tournee durch die DDR wurde zu Udos unendlicher Enttäuschung abgesagt. „Wir wurden benutzt“, ist sich Steffi Stephan bis heute sicher.
Aber auch dieses ernste Thema kann nicht ohne Rock’n’Roll über die Bühne gehen. Lautes Gekicher, als Steffi Stephan erzählt, wie er sich im Palast der Republik einen Joint ansteckte, „vielleicht der erste und letzte, der in der DDR geraucht wurde“. Er selbst muss auch lächeln, als eine Schülerin fragt, wie es Udo Lindenberg heute geht und ob er noch Musik macht: Der Song „Komet“ von Udo und Apache 207, aktuell auf Platz zwei der Charts, ist bislang die erfolgreichste deutsche Single dieses Jahrtausends.