Der Schauspieler Peter Simonischek ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Für seine größte Filmrolle machte er sich zum Affen.

Für seine berührendste Rolle brauchte Peter Simonischek eine zottelige Langhaarperücke und ein falsches Gebiss. Scherzartikel, die man eher im Krachboulevardtheater einsetzen würde. Und er machte sich damit buchstäblich zum Affen. Aber in Maren Ades gefeiertem Film „Toni Erdmann“ brauchte der Alt-68er, den Peter Simonischek da spielte, genau diese Requisiten, diese Verstellung, um sich seiner ihm entfremdeten, karrieristischen, überstrengen Tochter, brillant verkörpert von Sandra Hüller, zu nähern. Der Mann, der im Laufe seines Lebens zahllose Kinder unterrichtet und angewiesen hat, brauchte diese unbeholfenen Mittel, um seinem eigenen Kind spät zu zeigen, was er ihm nie hat sagen können: dass er sie liebt.

Trauer um Peter Simonischek: Ein Bühnentitan ist abgetreten

Sonst hatte Peter Simonischek solche Quatschutensilien nicht nötig. Seine massige, riesige Gestalt und die markante, sonore Stimme reichten aus, um die Bühne zu füllen und sein Publikum in Beschlag zu nehmen. Und mit seinen 1,90 Metern überragte er so ziemlich jeden, der neben ihm spielte. Da musste man sich buchstäblich aus seinem Schatten befreien. Nun aber ist der große Theater- und Filmschauspieler mit 76 Jahren gestorben. Ein Titan tritt da ab von der Bühne der Welt.

Peter Maria Simonischek, am 6. August 1946 in Graz geboren, war Sohn eines Zahnarztes. Insofern ist das Scherzgebiss in „Toni Erdmann“ auch eine Replik an den eigenen Vater. Der wollte eigentlich, dass sein Sohn Medizin studierte. Und zwang ihm, als der sich weigerte, eine Ausbildung zum Zahntechniker auf. Der aber fiel in der Gesellenprüfung durch, weil er den praktischen Teil nicht bestand: Die Goldkrone, die er anfertigen musste, bestand den Zungenansaugtest nicht.

Den Schauspielberuf ergriff Simonischeck gegen den Willen seiner Eltern

Das klingt wie eine grandiose Theateranekdote. Und den Zungenbrecher muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Aber was für ein Glück für den Rest der Welt! Denn längst war bei dem Filius die Liebe zum Theater und zum Schauspiel entbrannt. Schon während der Ausbildung hatte er sich heimlich in seiner Heimatstadt an der Akademie für Musik und darstellende Kunst angemeldet. Und dass er diesen Beruf gegen den erklärten Willen der Eltern ergriff, daran war der Vater selbst nicht ganz unschuldig. Er hat ihn früh mit ins Theater genommen, in eine „Hamlet“-Aufführung. Und „nach diesem ,Hamlet‘“, bekannte er gern, „war ich verloren“.

Der Österreicher galt zunächst nichts im eigenen Land. Erste Engagements führten ihn in die Schweiz, nach Sankt Gallen und Bern – und dann nach Deutschland, nach Darmstadt und Düsseldorf. Bis der Ruf nach Berlin kam. An die Ruppigkeit der Stadt musste er sich erst mal gewöhnen, wie er gestand. Aber er war auch ganz froh, nicht im behüteten Österreich zu wirken, sondern quasi mit Gastarbeiterstatus. Denn, so seine Begründung: „Wenn Sie fremd sind, strengen Sie sich mehr an.“

Von 2002 bis 2009 spielt Peter Simonischek in Salzburg die Rolle des Jedermann

Aber dann übernahm er auch immer wieder Gastrollen bei den Salzburger Festspielen, wo er schließlich von 2002 bis 2009 die Rolle spielte, die jeder österreichische Schauspieler, der etwas auf sich hält, spielen muss: Hofmannsthals Jedermann. Keiner hat diese Rolle öfter gespielt als Simonischek, der dabei nicht weniger als vier verschiedene Buhlschaften an seiner Seite hatte. Und 1999, als mit Thomas Ostermeier eine neue Ära an der Schaubühne begann und viele der alten Stars das Haus verließen, ging der Österreicher ans Wiener Burgtheater, wo er vor vier Jahren zu dessen Ehrenmitglied ernannt wurde. Eine Art späte Heimholung.

Immer wieder spielte Simonischek aber auch vor der Filmkamera, die wie gemacht war für seine bloße Präsenz. Kaum eine Krimiserie, in der er nicht mal mitgespielt hätte. Aber auch große Dramen wie „Fürchten und Lieben“ (1987) von Margarethe von Trotta oder Hans Steinbichlers „Hierankl“ (2003), wo er neben einem anderen großen Grantler, Joseph Bierbichler, spielte.

Für „Toni Erdmann“ wurde er 2017 mit dem Deutschen Filmpreis und als erster österreichischer Schauspieler mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet. Sein letzter Kinoauftritt war kürzlich in Lars Kraumes Drama über deutsche Kolonialverbrechen „Der vermessene Mensch“. Bei der Premiere war er schon deutlich abgemagert und sichtlich gezeichnet.