Hamburg/Berlin. Alan Menken hat die Hits zum 90er Disney-Trickfilm „Arielle“ geschrieben. Auch beim neuen Film mit der Meerjungfrau wirkt er mit.
Er sitzt nicht auf dem Sofa, sondern am Flügel, als ich zum Interview in die Suite im Hotel Adlon vorgelassen werde. Kein Showeffekt. Als Filmkomponist ist Alan Menkens Platz eben am Klavier. Er sitzt denn auch die ganze Zeit auf der Klavierbank. Und streicht immer mal über die Tastatur. Wie zur Betonung. Oder aus Verbundenheit. Der achtfache Oscar-Preisträger („Die Schöne und das Biest“, „Der König der Löwen“, „Aladdin“) war mal wieder in Berlin, um im Zoo Palast die Realverfilmung von „Arielle, die Meerjungfrau“ vorzustellen.
Er ist der Einzige unter den Filmemachern, der schon am Original-Zeichentrickfilm 1989 beteiligt war. Für ihn war das damals der Durchbruch, für Disney der Beginn einer Welle von Musical-Trickfilmen. Und die Menken-Songs haben Generationen geprägt. Dem 74-jährigen ist der Ruhm aber nie zu Kopf gestiegen. Wir begegnen einem sehr offenen, zugewandten Menschen, der am Ende sogar ein paar Akkorde für den Interviewer spielt.
Hamburger Abendblatt: Herr Menken, wie fühlt sich das an, fast 35 Jahre nach dem Trickfilm „Arielle, die Meerjungfrau“ noch mal real verfilmt zu sehen?
Alan Menken: Unglaublich. Nicht nur im Hinblick auf den fertigen Film, sondern auch auf den Prozess. Regisseur Rob Marshall hat das wunderbar gemacht. Es stand auf meiner Bucket-List, mal mit ihm zu arbeiten. Auch mit Lin-Manuel Miranda zu arbeiten, der die Liedtexte schrieb, stand auf der Bucket-List. Den kenne ich schon, seit er ein kleiner Bub war. Damals war er von dem Film besessen. Er zerrte immer an meinem Hosenbein, weil er ein Autogramm wollte oder Fragen hatte. Und jetzt ist er ein versierter Künstler.
Damals schrieben Sie die Musik mit HoHaward Ashman. Der starb anderthalb Jahre nach dem Film mit nur 40 Jahren. Fehlte er bei der Neuverfilmung?
Sehr. Auch „Die Schöne und das Biest“ trug noch ganz seine Handschrift, aber er hat den fertigen Film schon nicht mehr erlebt. Und starb, als „Aladdin“ noch in einem sehr frühen Stadium war. Aber ihm widme ich die neuen Songs von „Arielle“.
„Arielle“-Komponist Menken: Neue Songs für einen alten Stoff
Und ist es noch mal besonderer, dass dieser Film nun im Jubiläumsjahr zu Disneys 100. Geburtstag herauskommt?
Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, aber ich denke schon. Es ist auch schön, dafür wieder in Berlin zu sein. Ich war ja schon oft hier. Auch zur Weltpremiere meines Musicals „Der Glöckner von Notre Dame“ im damals frisch eröffneten Musicaltheater am Potsdamer Platz. Dafür habe ich damals ganze Monate hier gelebt.
Es gibt drei neue Songs und eine Neuversion. Wie ist das, nach so vielen Jahre für einen alten Film neue Songs zu schreiben?
Nun ja, er ist nicht sooo alt. Na gut, doch: 1989 ist lange her. Aber das hält einen frisch. Es ist wie eine Familienzusammenführung, wenn einige Mitglieder weit weggezogen sind und mal wieder zu Besuch kommen. So ging es mir mit den Figuren dieses Films. Die Herausforderung war, dass die Musik für den Trickfilm damals betont simpel und einfach sein sollte und jetzt in diese viel komplexere reale Welt passen musste.
Diesmal darf auch der Prinz singen. War das überfällig
Überfällig? Nein, ich glaube, das war jetzt genau zur richtigen Zeit. Ehrlich: Im Trickfilm war das richtig, dass die Wasserwesen sangen und der Prinz nicht. Er war ja nur das Love Interest. Aber hier ist er richtig Fleisch und Blut, da musste er auch singen. Das macht die Liebesgeschichte dann auch noch tiefer.
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Der Film löste eine Debatte aus. Manche kritisieren unter dem Hashtag #NotMyAriel, dass die Titelfigur von einer Schwarzen gespielt wird. Was halten Sie davon?
Ich glaube, solche Menschen betrügen sich selbst. Die sollten sich einfach mal den Film anschauen: Halle Bailey ist unglaublich, so talentiert und ein echtes Herzstück. Ich finde manche Debatten in unserer Welt echt lächerlich. Wir sind nicht wirklich weiß, sie sind nicht wirklich schwarz. Wir sind doch alle nur unterschiedliche Nuancen. Und es gibt immer noch so viele rassistische Vorurteile, da ist es doch schön, wenn man andere Vorbilder schafft, gerade für Kinder. Die Debatte zeigt eine politische Kluft. Aber sie kann den Film nicht treffen. Eigentlich sollte jede Rolle nur danach besetzt werden, wer dafür am besten geeignet ist. Und nicht nach Äußerlichkeiten.
„Arielle, die Meerjungfrau“ löste einst das Disney-Revival aus
Wir sehen im Film eine bunte Meereswelt, aber auch schon Zivilisationsmüll: viele Schiffswracks am Meeresboden. Sendet der Film auch eine Botschaft – gegen die Vermüllung der Meere, gegen die Zerstörung der Riffe?
Ja, ich hoffe, dass das ein paar Denkanstöße setzt. Denn das ist wirklich ein schmerzliches Thema. Ich habe ein Haus in der Karibik, direkt am Meer, und liebe es zu schnorcheln und diese Korallenwelt zu erleben. Aber es macht mich traurig, zu wissen, dass diese Welt bedroht ist und verschwinden könnte, wenn wir Menschen das nicht verhindern. Mehr Harmonie zwischen Land und Wasser, ja, das ist die klare Botschaft dieses Films.
Sie haben an so vielen Disney-Filmen mitgewirkt. Welcher ist Ihnen der liebste? Ist es „Arielle“, weil es der erste war? Und eine Disney-Renaissance auslöste?
Ich kann Ihnen nicht sagen, welcher Film mir der Liebste ist. Klar: „Die kleine Meerjungfrau“ war der erste. Keiner nimmt einen höheren Rang in meiner Karriere an. Und ich habe das noch zusammen mit Howard geschrieben… Aber ich schwör’s: Sie sind alle meine Liebsten – auf unterschiedliche Art. Ich schaue so auf alle meine Projekte. Sie sind meine Kinder.
Entwickelt man einen Sinn für das, was ankommen wird?
Manche Dinge haben einen höheren Stellenwert im Herzen der Zuschauer als andere. Aber das kann sich auch ändern. Nehmen Sie den Film „Newsies“ („Die Zeitungsjungen“). Das war eine der schlechtesten Einspielergebnisse in der ganzen Geschichte von Disney. Ich bekam dafür 1993 die Goldene Himbeere für den schlechtesten Song des Jahres. Aber die Musical-Version wurde ein Broadway-Erfolg, für den ich 2012 ,einen Tony erhielt. Ich kann Ihnen jetzt „Part of A World“ aus „Arielle“ vorspielen (spielt einige Akkorde an), und ich weiß, das ist populär. Aber ich habe viele andere Songs geschrieben, die ich für genauso gut befand, auch wenn sie nicht so ankamen. Man muss die Sachen in die Welt geben und die Leute darüber entscheiden lassen.
Noch eine letzte Frage: Eine Hauptfigur in „Arielle“ ist die Krabbe Sebastian, die der Hofkomponist der Unterwasserwelt ist, ständig über Arielle wachen muss und dass Paar über Musik dazu bringen will, sich endlich zu küssen. Ist die Krabbe auch eine Metapher auf Alan Menken?
Na, das hat ja noch nie jemand gefragt! (lacht) Nein, auf keinen Fall. Das heißt… Moment mal. Ich bin ja Sternzeichen Krebs. Vielleicht ist das ja doch eine Anspielung? Ich habe keine Ahnung.
„Arielle, die Meerjungfrau“, 135 Minuten. Läuft ab 25. Mai im UCI, Koralle, Cinemaxx