Hamburg. In der Reihe „New Hamburg“ des Deutschen Schauspielhauses ist auf der Veddel eine besondere Performance zu sehen.

Die Idee ist schon mal wundervoll. Dass die – 2016 von einem Brexit-Fanatiker ermordete – britische Labour-Abgeordnete Jo Cox die Idee eines „Ministeriums für Einsamkeit“ initiierte, das 2018 tatsächlich realisiert wurde, zeigt, wie drängend die Frage im sozialen Gefüge gärt. Und das nicht nur auf der britischen Insel. 14 Millionen Menschen in Deutschland gelten – offiziell – als einsam.

Auf der Veddel: „Ministerium für Einsamkeit“ gegründet

Die britische Idee aufgreifend, inszeniert Regisseur Peter Kastenmüller nun in der Reihe „New Hamburg“ des Deutschen Schauspielhauses auf der Veddel eine künstlerische Intervention: „Ministerium für Einsamkeit“. Ein solches soll im Laufe des Abends in der Immanuelkirche gegründet werden, doch zuvor gilt es als Besucher, einen Parcours durch mehrere Referate zu absolvieren.

Das Konzept ist bestechend, der erste Ort ist es auch. Wummernde Bässe dringen aus dem Lautsprecher vor einem Ladenlokal, wo jugendliche Schülerinnen und Schüler am Mikrofon über das Thema Einsamkeit und den Fluch der sozialen Medien reflektieren, aber das Tolle ist, dass sie dazu eine Choreografie der Verbundenheit tanzen.

Theater Hamburg: Wann ist man eigentlich einsam?

Gefilmt werden sie dabei von dem Schauspieler Paul Behren, der hier in der Regie mitarbeitet. Einzeln sich aus der grau gekleideten Gruppe lösend, stellen sie die richtigen Fragen: Wann ist man eigentlich einsam? Was ist, wenn man sich in seiner Wahrnehmung isoliert und allein fühlt? Wie sehr verliert man ohne die anderen den Bezug zur Realität?

Die beiden folgenden Stationen reichen inhaltlich an diesen starken, selbst ermächtigenden Akt nicht ganz heran. Im AWO Seniorentreff muss Jan-Peter Kampwirth ein sperriges Seminar abhalten und die Teilnehmenden über die Gesundheitsrisiken der Einsamkeit aufklären. Die Ironie, die dabei durchscheint, passt nicht ganz zum Ernst des Themas.

Lars Rudolph und Thilo Schölpen: ein spleeniges Duo

Schließlich geht es zurück in die Immanuelkirche, wo Aino Laberenz, verantwortlich für die Bühne und die lebensechten Kostüme, eine offene Wohnung mit Schlafraum und Küche errichtet hat, in die das Publikum von der Empore hineinblickt. Dort spielen Lars Rudolph und der Musiker Thilo Schölpen ein spleeniges Duo. Mal hantiert Rudolph mit einem Plattenspieler, während Schölpen ein Keyboard im Küchenschrank bedient. Die Texte bleiben eher unzusammenhängend.

Das gilt auch für das Finale, bei dem Bettina Stucky die Werte der Gemeinschaft emporhebt. Den engagiert aufspielenden Mitwirkenden – unter ihnen viele aus der Nachbarschaft – zuzuschauen ist bereichernd, der Gedanke, dass der Mensch alleine nichts ist, ist seit Aristoteles bezwingend. Gerade weil das Thema so komplex ist, hätte man sich hier inhaltlich etwas mehr erhofft.

„Ministerium für Einsamkeit“ weitere Vorstellungen 22.5., 28.5., 31.5., 1.6., 7.6., 12.6., 18.6., 26.6., jew. 19.30 Uhr, Immanuelkirche, Wilhelmsburger Straße 73, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de